Das Haus der Lady Alquist
…, das sind die wohl eher unschicklichen Eigenschaften von Gregory Anton (Charles Boyer), des Ehemannes der jungen Paula Alquist (Ingrid Bergman), die aber leider über so gar keine Menschenkenntnis zu verfügen und deren rosarote Brille wie angewachsen scheint. Doch kann man es sich als Zuschauer wirklich so leicht machen und Paula für ihre Naivität verurteilen oder ist diese Position falsch und es ist vielleicht doch gar nicht so unwahrscheinlich und abwegig, sich in Menschen, die einem nahe stehen, grundlegend täuschen zu können? Diese Frage habe ich mir während der Sichtung von Das Haus der Lady Alquist (Originaltitel: Gaslight) immer wieder gestellt. Trotz sieben Oscar-Nominierungen, zwei tatsächlichen Oscar-Auszeichnungen (in den Kategorien „Beste Hauptdarstellerin“, „Beste Filmbauten – Innenausstattung/schwarz-weiß“) und einem gewonnenen Golden Globe (ebenfalls für die „beste Hauptdarstellerin“) ist dieser Thriller aus dem Jahr 1944 von George Cukor bis heute nur wenig populär. Umso interessanter also für mich, mal einen „neuen“, außerhalb der „Hitchcock-Sphäre“ produzierten Thriller unter den Classic Movies zu entdecken.
Paula Alquist, die Nichte der berühmten Sängerin Alice Alquist, findet ihre Tante eines Nachts ermordet in ihrer Villa in London vor. Um den Schock zu überwinden, wird das Mädchen auf ein Internat geschickt, das sie zehn Jahre später wieder verlässt. Sie zieht nach Italien, beginnt, ebenso wie ihre Tante, eine Karriere als Sängerin und verliebt sich dabei in den Pianisten Gregory Anton. Das noch frische Paar heiratet wenig später und zieht auf Wunsch von Gregory in die alte Villa der Tante ein. Hier gehen jedoch seltsame Dinge vor sich. Jeden Abend um dieselbe Uhrzeit vernimmt Paula über ihrer Stube Schritte, die auf dem zugenagelten Dachboden auf und ab gehen. Eingeleitet wird der Spuk durch schwächer werdendes Licht in den Gasleuchtern, für das jedoch weder Gregory noch das Dienstmädchen Nancy (Angela Lansbury) oder die Köchin Elizabeth (Barbara Everest) verantwortlich sein wollen. Allmählich beginnt Paula an sich und ihrer geistigen Zurechnungsfähigkeit zu zweifeln, denn insbesondere ihr geliebter Angetrauter Gregory erklärt sie mehr und mehr für verrückt. Was Paula jedoch nicht bemerkt, ist, dass dieser sie ganz gezielt in den Wahnsinn treibt. So macht er ihr z.B. weis, sie verläge und vergesse ständig irgendwelche Dinge, über die sie doch eben noch gesprochen hätten. Diese Vorgehensweise soll als Ablenkungsmanöver dienen, um sich im Haus der Tante in Ruhe auf die Suche nach etwas zu begeben, wonach Gregory schon lange lechzt. Zum Glück ist da noch der ausgeschlafene Agent Brian Cameron (Joseph Cotten) von Scotland Yard…
Auch wenn Hitchcock diemsal nicht seine Finger im Spiel hatte, lebt der Film vom typischen „Suspense“. Zwar ist die Handlung ab einem bestimmten Punkt absehbar, die Spannung bleibt jedoch trotzdem den ganzen Film über erhalten. Dafür sorgt vor allem die großartige und zurecht mit einem Oscar ausgezeichnetete Ingrid Bergman, die für ihre Rolle als „angehende“ Verrückte sehr genaue Recherche betrieben und dafür sogar einige Zeit in einer Nervenheilanstalt verbracht hat. Auch Charles Boyer spielt seine Rolle als hinterhältiger, vermeintlich liebender Ehemann einwandfrei, denn als Zuschauer bemerkt man zunächst nur sehr schleichend, dass mit ihm irgendetwas nicht stimmt. Die immer häufiger werdenden kurzen Anfälle von Jähzorn und Wut führen Stück für Stück auf die richtige Fährte und die Wandlung von Gut zu Böse könnte nicht perfekter sein. Überrascht war ich auch vom Auftritt der noch sehr jungen (17-jährigen) Angela Lansbury, die ich bisher nur als liebenswürdige Jessica Fletcher aus Mord ist ihr Hobby kannte. Besonders gut gelungen ist neben dem originalgetreuen Set und der Ausstattung vor allem aber der schon zu Beginn erwähnte psychologische Aspekt der Vorverurteilung. Kann einem soetwas wirklich passieren? Ist es möglich, dermaßen geblendet und in die Irre geführt zu werden? Die Frage bleibt spannend und klingt auf jeden Fall nach. Ein bisschen bitter stößt die Tatsache auf, dass MGM seinerzeit versuchte, alle Filmkopien des Originalfilms Gaslight (von Thorold Dickinson; 1940) aufzukaufen, um sie anschließend zu vernichten. Dass schon im damaligen Hollywood solche fragwürdigen „Vermarktungsstrategien“ an der Tagesordnung waren, stimmt ein wenig nachdenklich und macht mich nur noch neugieriger auf das Original.
Produktion: MGM
Regie: John Cukor
Schauspieler: u.a. Ingrid Bergman, Charles Boyer, Angela Lansbury, Joseph Cotten
Laufzeit: 109 Min.
Genre: Thriller
Als großer Hitchcock-Fan muss ich mir den Film wohl dringend ansehen. 😉
Ja, ich denke, der Vergleich lohnt sich 🙂
Hab ja versprochen, dass ich was dazu sage, wenn ich den Film gesehen habe 😉 Ich war ziemlich überrascht, negativ und positiv. Zum Einen negativ, weil ich schon lange vorher mal gelesen habe, dass der Film erstaunlich gruselig wäre. Da ich das alles aber ähnlich durchschaubar fand wie ihr, konnte ich mich gar nicht gruseln. Zwar habe ich mit Ingrid Bergman mitgefühlt, aber insgesamt war da schon früh etwas die Luft raus. Positiv überrascht war ich von den Kulissen und der jungen Angela Lansbury. naja und von dem miesen Einfallsreichtum von Gregory XD
Alles in allem hat der Film auf mich so einen naiven Eindruck gemacht. Ich halte es zwar prinzipiell für möglich, dass man so verliebt ist, dass man nicht sieht, was der andere für ein Kotzbrocken ist, aber das ist mir hier etwas zu offensichtlich. Oder hat man früher vielleicht einfach naivere Filme gemacht, weil die Sehgewohnheiten anders waren? Wie steht ihr dazu, nun da etwas Zeit ins Land gegangen ist?
Oh cool, danke fürs Feedback! Na ja, ich hatte schon von vornherein keinen Mega-Schocker erwartet, weil wir uns hier ja in einem ganz anderen Filmzeitalter bewegen und wir ja heutzutage viel härtere Sachen gewohnt sind. Ich lass mal dahingestellt, ob das jetzt gut oder schlecht ist. Also, ich denke schon, dass das sehr viel mit Sehgewohnheiten zu tun hat. Die waren damals einfach noch ganz anders.
Klar, kann der Film spannungstechnisch nicht ganz mit Hitchcocks Filmen mithalten, aber die waren ja auch schon wieder ’ne Ecke später, das muss man auch bedenken, und Hitchcock gilt ja nicht umsonst als Master of Suspense und Revolutionär des Genres. Ich fand den Film alles in allem sehr gelungen, ich mag so altes Zeug aber generell sehr gerne und finde gerade die zeitlichen Vergleiche, die man anstellen kann, interessant. Anstrengend ist, glaube ich vor allem, das Tempo, in dem in den alten Filmen – und auch hier – erzählt wird. Für uns in unserer schnelllebigen Zeit ist das schon ab und an ’ne ziemliche Geduldsprüfung. 🙂