Traute Einsamkeit

Da geht noch was

Da_geht_noch_was__1_Der neue Film von Holger Haase ist sicher keine schwere Kost, aber das braucht es ja auch nicht immer. Zur Abwechslung gibt es ab dem 12. September mal wieder eine deutsche Komödie, die man sich durchaus ansehen kann. Ich habe Da geht noch was am Wochenende in der Vorpremiere gesehen (unter freiem Himmel wohl gemerkt) und habe an vielen Stellen laut lachen müssen – und da war ich nicht die einzige.

Im Grunde geht es um die Heimkehr zu alten Werten, das Rückbesinnen auf die Familie. Conrad (Florian David Fitz) hat sich schon vor langer Zeit von ihr entfernt. Der Grund dafür ist sein neurotischer und mürrischer Vater Carl (Henry Hübchen), der sich im Westdeutschland der 70er Jahre mit Leib und Seele der Gewerkschaft verschreibt und heißer Verfechter sozialistischer Strukturen ist. Seine Verbissenheit lässt keinen Platz für einen kleinen Jungen mit Flausen im Kopf, der deshalb stets und ständig um die Aufmerksamkeit des Vaters kämpfen muss. Conrads „Rufe“ bleiben ungehört und so finden Vater und Sohn nie richtig zueinander.

Der Sohnemann wird Architekt und lebt sein Leben wohl bewusst verschwenderisch, großspurig und auf eine dekadente Art spießig, völlig entgegen der Vorstellungen des verhassten Vaters. Conrad ist inzwischen selbst Vater eines dreizehnjährigen Jungen und auch dieses Verhältnis zwischen Vater und Sohn ist zerrüttet, was Conrad augenscheinlich aber nicht bewusst ist. Wie zuvor auch bei ihm und seinem Vater finden Gespräche nie statt und es fehlt die Zeit für väterliche Zuwendung. Es bleibt lediglich bei halbherzigen Versuchen und wie so oft in dieser Welt macht jeder sein Ding allein.

Im weiteren Filmverlauf werden die Beziehungskisten zwischen Vater und Sohn allgemeingültiger und auf die gesamte Familie übertragen. Denn auch da liegt einiges im Argen. Mutter und Oma Helene (Leslie Malton) offenbart Conrad, dass sie sich von Carl getrennt hat und bereits ausgezogen ist. Im selben Zuge drückt sie ihrem Sohn einen Umschlag in die Hand, mit der Bitte, ihn hinter ein Bild im elterlichen Wohnzimmer zu klemmen. Den Sinn darin versteht Conrad zunächst nicht, befolgt jedoch trotzdem die Anweisungen der Mutter. Beim Eintreffen im alten zu Hause finden Conrad und sein Sohn Jonas (Marius Haas), der gerade aus dem Internat heimgekehrt ist und seinen Vater begleiten muss, Carl in einem erbärmlichen Zustand vor. Lange können Sohn und Enkel jedoch nicht bleiben, sonst verpassen sie ihren Urlaubsflieger ins Paradies. Mutter Tamara (Thekla Reuten) ist aus beruflichen Gründen bereits früher losgeflogen und wartet schon sehnsüchtig auf die beiden Nachzügler. Aufgrund einiger Widrigkeiten am Flughafen, bei denen sich Chauffeur und Opa Carl einige Verletzungen zuzieht, können Conrad und Jonas Widerwillens nicht in den Urlaub starten, weil sie sich nun fortan um Carl kümmern müssen. Es passiert noch einiges, während sich Carl, Conrad und Jonas Stück für Stück näher kommen. Und nicht nur die drei Männer der Familie finden wieder zueinander. Eins darf an dieser Stelle wohl verraten werden: Der Briefumschlag hat mit dieser allgemeinen Stimmungsänderung zu tun.

Das Happy End kommt bei dieser Art Film nicht unerwartet und ich gebe es zu: ich wäre wohl auch mit enttäuschter Miene aus dem Kino gegangen, hätte es keines gegeben. Der Schluss wirkt, den Plot betreffend, ein wenig konstruiert und unrealistisch, dafür ist er aber umso lustiger. Die zwischenmenschliche Ebene betrachtend, finde ich den Film sehr gelungen.  Sprache und Dialoge sind absolut authentisch. Auch der Schluss ist nicht übertrieben rührselig. Da geht noch was ist trotz der Familienproblematik ein seichter und erheiternder Film. Wer mal wieder im Kino lachen möchte, dem sei dieser Film ans Herz gelegt.   fg

Da_geht_noch_was_HauptplakatDE 2013

Produktion: Olga Film

Regie: Holger Haase

Schauspieler: Florian David Fitz, Henry Hübchen

Läuft an am: 12.09.2013

Laufzeit: 101 Min.

Genre: Komödie

Eine mörderische Schnitzeljagd

IMG_6121Abgeschnitten – Fitzek/Tsokos 

Sebastian Fitzek versteht es ja wie fast kein zweiter, mal mehr, mal weniger blutig in die Tiefen der menschlichen Psyche Einblick zu gewähren, aber Abgeschnitten hat es nochmal richtig in sich. Wahrscheinlich nicht zuletzt deshalb, weil er diesmal Hilfe hatte. Das Buch entstand in Zusammenarbeit mit Michael Tsokos, einem renommierten und viel gefeierten Rechtsmediziner u.a. an der Berliner Charité sowie Sachbuchautor und TV-Moderator.

Was zunächst als ziemlich blutiges Buch daherkommt (jedenfalls für Fitzeks Vehältnisse), verfolgt einen tieferen Sinn. Es geht um den sogenannten deutschen Rechtsstaat. Alles dreht sich um die Rache am System, das zulässt, dass ein Steuerbetrüger zu weitaus mehr Jahren Haft verurteilt wird als ein Kinderschänder und Serienkiller (wenn ihm überhaupt eine Haftstrafe droht). So weit, so gut. Doch wie nehmen sich die beiden Autoren dieser Problematik an? Ich finde die Umsetzung gelungen, habe ich doch während meines Urlaubs teilweise bis vier Uhr Nachts darin gelesen. Ich konnte das Buch einfach nicht mehr aus der Hand legen. Das spricht schon mal für sich. Abgesehen vom Spannungsgrad ist die Geschichte mit Sicherheit auch nicht ganz abwegig und fesselt deshalb umso mehr.

Hauptprotagonist ist der Berliner Pathologe Paul Herzfeld (was in Hinblick auf die Autorenschaft auch nicht verwundert), der in einer „seiner“ Leichen eine Kapsel mit der Telefonnummer seiner Tochter findet. So beginnt eine morbide Schnitzeljagd mit dem immerwährenden Ziel, Hannah zu retten. Er bekommt dabei unfreiwillige Hilfe von der Comiczeichnerin Linda, die sich aus Angst vor ihrem Stalker auf Helgoland versteckt hält und zufällig über den zweiten Hinweis in Form der nächsten Leiche „stolpert“, die sie am Strand mitsamt Hannahs Telefon findet. Des Weiteren wird Herzfeld von einem schnöseligen Praktikanten unterstützt, der zwar keinen Schimmer von der ganzen Angelegenheit hat, aber dem Professor trotzdem anbietet,  ihn nach Helgoland zu kutschieren – aus welchen Beweggründen, soll hier nicht verraten werden. Herzfeld kommt dieses Angebot mehr als gelegen, denn Deutschland wird von einem eisigen Wintereinbruch heimgesucht und die Insel ist wegen heftigen Sturm- und Orkanböen für Tage unerreichbar. Die Leichen mehren sich und die arme Linda, die mit der Materie so gar nichts am Hut hat, muss via Telefonschaltung eine Obduktion nach der anderen vornehmen. Das Puzzle um die unbekannten Toten setzt sich peu à peu zusammen, aber ein Überraschungsmoment sparen sich die Autoren bis ganz zum Schluss auf.

Ohne zu viel vorwegzunehmen, man braucht für das Buch starke Nerven. Alle Figuren in der Geschichte geraten an ihre psychischen sowie physischen Grenzen und müssen einiges aushalten – so auch der Leser. Als solcher wird man nicht nur in die Vorgänge in der Pathologie entführt, sondern auch in die tiefsten Abgründe der menschlichen Seele. In sechs Kapiteln wird das Geschehen aus der Sicht eines entführten und gefolterten Mädchens beschrieben, die ich am liebsten überblättert hätte. Aber für die Botschaft des Buches waren sie wohl unabdingbar.

Das Buch trieft nur so vor Spannung und ist an keiner Stelle vorhersehbar. Ich war immer wieder überrascht. Auch die Auflösung um die Rettung von Hannah ist raffiniert (wenn dieser Begriff an der Stelle erlaubt ist) gelöst. Lediglich die Stelle um Herzfelds provozierten Autocrash erscheint mir nicht ganz schlüssig. Allen Thriller-Freunden ist dieser „Psychotrip“ trotzdem sehr zu empfehlen, Zartbesaiteten mit Vorbehalt. Auf jeden Fall sorgt Abgeschnitten für eines: Nachdenklichkeit.   fg

Verlag: Droemer
Erscheinungsjahr: 2012
393 Seiten
ISBN: 978-3-426-19926-8