Joaquin Phoenix im Gefühlschaos

Two Lovers

4b2a691cca4e3Zufällig bin ich vor einigen Tagen auf einen mir bisher völlig unbekannten Film aus dem Jahr 2008 gestoßen: Two Lovers mit Joaquin Phoenix und Gwyneth Paltrow in den Hauptrollen. Der Film ist damals wohl etwas untergegangen, weil Joaquin Phoenix bei der Promotion mit wild wucherndem Vollbart auftrat und behauptet hat, er werde seine Schauspielkarriere aufgeben und Hip-Hopper werden. Vielleicht erinnert ihr euch noch daran. 😉 Zum Glück hat er das ja dann doch nicht getan, denn wie er in Two Lovers wieder einmal beweist, ist er ein großartiger Schauspieler, von dem ich noch viel sehen möchte!

In Two Lovers spielt Phoenix den labilen Leonard Kraditor, einen jungen Fotografen, der nach einer unglücklichen Beziehung und einem Nervenzusammenbruch wieder bei seinen Eltern einzieht und im Familienbetrieb arbeitet. Sein Alltag ist denkbar öde und grau, sodass es nicht verwundert, dass er schon bald einen zaghaften Versuch unternimmt, sich umzubringen. Um ihn auf andere Gedanken zu bringen, wollen ihn seine besorgten Eltern mit der Tochter einer befreundeten Familie verkuppeln. Leonard ist von der attraktiven, liebenswerten Sandra (Vinessa Shaw) auch durchaus angetan, doch dann trifft er auf seine neue Nachbarin Michelle (Gwyneth Paltrow), von der er sofort fasziniert ist, die aber eine Affäre mit einem verheirateten Mann hat. Schon bald ist er zwischen Sandra und Michelle hin- und hergerissen…

Die Idee, dass sich ein Mann zwischen zwei Frauen entscheiden muss, ist sicher nicht neu und wurde schon in den verschiedensten Formen inszeniert. Dennoch ist das Liebesdrama Two Lovers sehenswert. Das liegt vor allem an den komplexen, vielschichtigen Figuren, die keine klaren Sympathien und Rollenverteilungen nach dem Hollywoodprinzip zulassen. Leonard ist zwar ein innerlich zerrissener Charakter, versinkt aber nicht in Selbstmitleid, sondern versucht neuen Lebensmut zu finden und seine Sehnsüchte auszuleben. Dabei wirkt er sympathisch, agiert aber auch egoistisch und rücksichtslos. Auch Sandra lässt sich nicht so einfach in eine Schublade stecken. Sie verkörpert zwar Bodenständigkeit und Vertrautheit, da sie aus einem ähnlichen Milieu wie Leonard kommt, ist sie aber auch lustig und liebenswert. Sie ist demnach nicht unbedingt die langweiligere Alternative zur chaotischen Michelle, die ihr gegenüber allerdings einen klaren Vorteil hat: Leonard sieht in ihr eine Art Seelenverwandte, da sie genauso unglücklich und verletzlich ist wie er selbst. Doch hier stellt sich die Frage, ob sich zwei labile Menschen gegenseitig retten können oder ob sie sich noch tiefer ins Unglück stürzen. Der Ausgang dieses Dilemmas ist bis zum Schluss nicht vorhersehbar, nur so viel sei verraten: Die Situation löst sich am Ende nicht einfach in Wohlgefallen auf. Neben der Vielschichtigkeit der Charaktere, fällt auch der ruhige Erzählrhythmus und die realistische, schlichte Inszenierung positiv auf. Nichts lenkt unnötig von der Handlung ab.

Fazit: Two Lovers ist keine typische Liebesromanze, sondern ein ehrlicher, realitätsnaher Film über das Leben mit all seinen Enttäuschungen, Sehnsüchte und Kompromissen.   sk

4b2a67ddd5341USA 2008

Regie: James Gray

Schauspieler: Joaquin Phoenix, Gwyneth Paltrow, Vinessa Shaw

Lief an am:

Genre: Drama

Laufzeit: 106 Min.

Skrupellos, heimtückisch und manipulativ…

Das Haus der Lady Alquist

Gaslight-2…, das sind die wohl eher unschicklichen Eigenschaften von Gregory Anton (Charles Boyer), des Ehemannes der jungen Paula Alquist (Ingrid Bergman), die aber leider über so gar keine Menschenkenntnis zu verfügen und deren rosarote Brille wie angewachsen scheint. Doch kann man es sich als Zuschauer wirklich so leicht machen und Paula für ihre Naivität verurteilen oder ist diese Position falsch und es ist vielleicht doch gar nicht so unwahrscheinlich und abwegig, sich in Menschen, die einem nahe stehen, grundlegend täuschen zu können? Diese Frage habe ich mir während der Sichtung von Das Haus der Lady Alquist (Originaltitel: Gaslight) immer wieder gestellt. Trotz sieben Oscar-Nominierungen, zwei tatsächlichen Oscar-Auszeichnungen (in den Kategorien „Beste Hauptdarstellerin“, „Beste Filmbauten – Innenausstattung/schwarz-weiß“) und einem gewonnenen Golden Globe (ebenfalls für die „beste Hauptdarstellerin“) ist dieser Thriller aus dem Jahr 1944 von George Cukor bis heute nur wenig populär. Umso interessanter also für mich, mal einen „neuen“, außerhalb der „Hitchcock-Sphäre“ produzierten Thriller unter den Classic Movies zu entdecken.

Paula Alquist, die Nichte der berühmten Sängerin Alice Alquist, findet ihre Tante eines Nachts ermordet in ihrer Villa in London vor. Um den Schock zu überwinden, wird das Mädchen auf ein Internat geschickt, das sie zehn Jahre später wieder verlässt. Sie zieht nach Italien, beginnt, ebenso wie ihre Tante, eine Karriere als Sängerin und verliebt sich dabei in den Pianisten Gregory Anton. Das noch frische Paar heiratet wenig später und zieht auf Wunsch von Gregory in die alte Villa der Tante ein. Hier gehen jedoch seltsame Dinge vor sich. Jeden Abend um dieselbe Uhrzeit vernimmt Paula über ihrer Stube Schritte, die auf dem zugenagelten Dachboden auf und ab gehen. Eingeleitet wird der Spuk durch schwächer werdendes Licht in den Gasleuchtern, für das jedoch weder Gregory noch das Dienstmädchen Nancy (Angela Lansbury) oder die Köchin Elizabeth (Barbara Everest) verantwortlich sein wollen. Allmählich beginnt Paula an sich und ihrer geistigen Zurechnungsfähigkeit zu zweifeln, denn insbesondere ihr geliebter Angetrauter Gregory erklärt sie mehr und mehr für verrückt. Was Paula jedoch nicht bemerkt, ist, dass dieser sie ganz gezielt in den Wahnsinn treibt. So macht er ihr z.B. weis, sie verläge und vergesse ständig irgendwelche Dinge, über die sie doch eben noch gesprochen hätten. Diese Vorgehensweise soll als Ablenkungsmanöver dienen, um sich im Haus der Tante in Ruhe auf die Suche nach etwas zu begeben, wonach Gregory schon lange lechzt. Zum Glück ist da noch der ausgeschlafene Agent Brian Cameron (Joseph Cotten) von Scotland Yard…

Auch wenn Hitchcock diemsal nicht seine Finger im Spiel hatte, lebt der Film vom typischen „Suspense“. Zwar ist die Handlung ab einem bestimmten Punkt absehbar, die Spannung bleibt jedoch trotzdem den ganzen Film über erhalten. Dafür sorgt vor allem die großartige und zurecht mit einem Oscar ausgezeichnetete Ingrid Bergman, die für ihre Rolle als „angehende“ Verrückte sehr genaue Recherche betrieben und dafür sogar einige Zeit in einer Nervenheilanstalt verbracht hat. Auch Charles Boyer spielt seine Rolle als hinterhältiger, vermeintlich liebender Ehemann einwandfrei, denn als Zuschauer bemerkt man zunächst nur sehr schleichend, dass mit ihm irgendetwas nicht stimmt. Die immer häufiger werdenden kurzen Anfälle von Jähzorn und Wut führen Stück für Stück auf die richtige Fährte und die Wandlung von Gut zu Böse könnte nicht perfekter sein. Überrascht war ich auch vom Auftritt der noch sehr jungen (17-jährigen) Angela Lansbury, die ich bisher nur als liebenswürdige Jessica Fletcher aus Mord ist ihr Hobby kannte. Besonders gut gelungen ist neben dem originalgetreuen Set und der Ausstattung vor allem aber der schon zu Beginn erwähnte psychologische Aspekt der Vorverurteilung. Kann einem soetwas wirklich passieren? Ist es möglich, dermaßen geblendet und in die Irre geführt zu werden? Die Frage bleibt spannend und klingt auf jeden Fall nach. Ein bisschen bitter stößt die Tatsache auf, dass MGM seinerzeit versuchte, alle Filmkopien des Originalfilms Gaslight (von Thorold Dickinson; 1940) aufzukaufen, um sie anschließend zu vernichten. Dass schon im damaligen Hollywood solche fragwürdigen „Vermarktungsstrategien“ an der Tagesordnung waren, stimmt ein wenig nachdenklich und macht mich nur noch neugieriger auf das Original.

gaslight-1944-posterUSA 1944

Produktion: MGM

Regie: John Cukor

Schauspieler: u.a. Ingrid Bergman, Charles Boyer, Angela Lansbury, Joseph Cotten

Laufzeit: 109 Min.

Genre: Thriller