Inside Llewyn Davis
Nach dem köstlich inszenierten Caper-Movie Ladykillers (2004), der gewitzten Spionagekomödie Burn After Reading (2008) und dem hervorragend gelungenen Spätwestern-Remake True Grit (2010) der Gebrüder Coen, stand nun auch Inside Llewyn Davis auf meinem Kino-Pflichtprogramm. In Vorfreude auf entschleunigte Bilder und stimmungsvolle Musikuntermalung habe ich vorgestern im Kinosessel Platz genommen.
Der New Yorker Llewyn Davis (Oscar Isaac) versucht Anfang der 60er Jahre sein Glück als Folkmusiker. Der Durchbruch will ihm allerdings nicht so recht gelingen und so tingelt er von Bar zu Bar, von Gelegenheitsjob zu Gelegenheitsjob und von Couch zu Couch. Rastlos und ohne festen Wohnsitz ist er auf der ständigen Suche nach dem großen Coup, aber wohl auch auf der Suche nach sich selbst, denn die Anstrengungen hinterlassen mehr und mehr ihre Spuren. Die Sehnsucht nach Glück, Anerkennung und Erfolg treiben ihn zunächst dazu an weiterzumachen und voranzukommen. Begleitet wird er dabei von einer entlaufenden Katze, oder vielmehr einem Kater. Immer wieder kreuzen sich die Wege der zwei ungleichen Streuner. Der einzige rote Faden im Film…und in Llewyn Davis‘ Leben ist dieser flauschige Zeitgenosse. Ansonsten scheinen die Geschichten der Personen, denen er begegnet, zusammenhangs- und gegenstandslos, austauschbar und ohne tieferen Sinn. Zwar hat Davis einige private und berufliche Kontakte, das zwischenmeschliche Miteinander gehört jedoch nicht zu seinen Stärken. Woran das liegt, kann man nur erahnen. Der Verlust des Freundes und Musikerpartners sowie die anhaltende Erfolglosigkeit fordern wohl ihren Tribut. Er selbst sagt gegen Ende das Films, er sei so „müde“ und könne nicht mehr. Vielleicht ist es aber auch gerade seine eigenbrödlerische Art, die ihm immer wieder Schranken aufweist. Hier stellt sich die alte Frage, was zuerst da war: das Huhn oder das Ei? So oder so, berühmt wird Llewin Davis nie. Sein Stil ist nicht gefragt, zumindest noch nicht. Er ist der Zeit voraus. Für seinen Traum an sich zu arbeiten oder sich gar zu verbiegen, lehnt er konsequent ab. Dass es auch anders gehen kann, zeigt sich in der Schlusseinstellung. In Davis‘ Stammbar im Künstlerviertel Greenwich Village wird nur wenig später kein Geringerer als Bob Dylan seine Karriere beginnen. Aber das Leben schreibt eben nicht immer nur Erfolgsgeschichten.
Inside Lewyn Davis wird hoch gehandelt und das zurecht. Die Coen-Brüder verstehen es so gut wie sonst kaum jemand, der anderen Seite der Medaille – den Gebeutelten – Auge und Gehör zu verschaffen und das möglichst, ohne zu urteilen. Sie schwimmen nicht mit der breiten „Hollywood-Masse“ und machen ihre Sache trotzdem (oder gerade deshalb) ziemlich gut. Ihr neuester Film beweist dies eindrücklich. Zunächst scheint Inside Llewyn Davis wenig stimmig, die Menschen darin sind fast alle ebenso abgehalftert und kautzig wie Davis selbst und es wird nicht viel gesprochen. Die Dialoge sind teilweise skurril, aber auch an vielen Stellen komisch. Des Öfteren habe ich mich gefragt, wo das „Gefühl“ abgeblieben ist. Irgendetwas fehlte da. So soll es wohl aber auch sein, denn das „Gefühl“ ist Davis schon lange abhanden gekommen. Das, was er davon noch übrig hat, steckt er in eine einzige Sache, in die wichtigste aller Sachen – in seine Musik. DAFÜR lebt er und DAVON lebt wiederum der Film. Dieser erzählt eine individuelle Geschichte (mit mehr als nur einem Verweis auf die Musikgeschichte jener Zeit) – ohne eine große Sache daraus zu machen. Mehr will der Film nicht und das ist beeindruckend bescheiden. Kulissen und Settings sind ebenso zurückgenommen wie die Story selbst, aber dennoch stilvoll und authentisch. New York und die 60er – das sind beides „Dinge“, bei denen ich leicht ins Schwärmen gerate. Einstellungen und Schnitt sind intelligent und bis ins Detail durchdacht, von der musikalischen Untermalung ganz zu schweigen. Trotz seines dokumentarischen Erzählcharakters schafft es der Film, einen Bogen zwischen Anfang und Ende zu spannen. Dieser Kreis, in dem sich Llewyn Davis buchstäblich dreht, wird anhand einer Szene vor dem Club in Greenwich Village deutlich, mit der die Geschichte beginnt und die zum Schluss ein wiederholtes Mal gezeigt wird. Die Katze als filmisches Hauptstilmittel fungieren zu lassen, finde ich schlichtweg genial. Schauspielerisch einwandfrei besetzt, sticht besonder Oscar Isaac hervor, der bereits als neuer Star am Sternenhimmel gefeiert wird. Nicht grundlos wohlbemerkt, hat er es doch geschafft, seiner recht eigentümlichen Rolle trotzdem Sympathie zu verleihen. Etwas eintönig ist lediglich das Spiel von Carey Mulligan als Davis‘ Künstlerkollegin und heimliche Ex-Geliebte Jean Berkey, die in der „frustrierten, schwächlichen Frauenfigur“ offensichtlich ihre Erfüllung gefunden hat. In den Nebenrollen überzeugen vor allem John Goodman als exentrischer Jazz-Musiker Roland Turner, den Davis auf einer Reise nach Chicago kennenlernt, sowie Justin Timberlake als Davis‘ privater und beruflicher Gegenspieler Jim Berkey. Insgesamt ist Inside Llewyn Davis ein sehr gelungener Coen-Streifen, mit dem üblichen Hang zur Melancholie und kein Film, der sich aufdrängt. Genau das gefällt mir ausgesprochen gut. Die Botschaft, wenn man von einer solchen sprechen möchte, ist subtil, aber kommt an. Die Musik sowieso. fg
Produktion: Studio Canal
Regie: Ethan Coen, Joel Coen
Schauspieler: u.a. Oscar Isaac, Carey Mulligan, Justin Timberlake, John Goodman
Lief an am: 05.12.2013
Laufzeit: 105 Min.
Genre: Musikfilm, Drama