Die „großen Augen“ der Margarete Keane

Big Eyes

Quelle: moviepilot.de
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Mein (nunmehr) vorletzter Kinobesuch liegt vor allem aus Zeitgründen viel zu lange zurück, doch für Tim Burtons neues Werk Big Eyes habe ich mich dann doch endlich mal wieder in die heiligen Kinohallen begeben, zu groß war die Neugier auf das Thema und bunte, schräge Burton-Bilder. Sehr bunt, aber dafür viel weniger schräg als gedacht (von den verrückten Kinderaugen mal abgesehen), wurden meine Erwartungen diesbezüglich nicht ganz erfüllt. Entweder wird Burton so langsam, aber sicher konservativ oder ich werde allmählich alt und nörgerlich. Oder beides.

Quelle: moviepilot.de
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Thema ist der Konflikt um den, in unseren Breiten eher weniger bekannten Kunstfälscher Walter Keane (Christoph Waltz) und seine Frau Margaret (Amy Adams). Sie ist die Urheberin der vor allem in den USA sehr beliebten Kinderporträts mit den (entsetzlich) großen Augen, die sich vor allem in den 50er und 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts äußerster Popularität erfreuten und als Kunstdrucke in fast jedem amerikanischen Wohnzimmer hingen. Nur wusste lange Zeit so gut wie keine Menschenseele um die eigentliche Urheberschaft, denn bis 1970 gab sich Walter Keane, ein Choleriker wie er im Buche steht, ambitionierter Möchtegern-Künstler und unglaubliches Marketinggenie, in mehr oder weniger einstimmigem Einvernehmen mit seiner Frau als Schöpfer dieser Werke aus. Doch in besagtem Jahr platzte Margaret Keane, die sich damals selbst als „schwach“ bezeichnete, der Kragen und sie entschied sich dazu, der millionenschweren Lüge endgültig ein Ende zu bereiten.

Big Eyes überzeugt vor allem durch seinen exzellent besetzten Cast. Oscarpreisträgerin Amy Adams gibt mit Bravour die schüchterne Haus- und Ehefrau, die aus der patriarchalischen Welt der 50er- und 60er-Jahre immer wieder auszubrechen droht und der es am Ende auch gelingt, sich zu emanzipieren, wenngleich es ihr sichtlich schwer fällt. Und auch mit Christoph Waltz hat Burton einen Treffer gelandet, denn ohne dessen komödiantisches Talent wäre der Film wohl nur eine langweilige Aneinanderreihung von Ereignissen. Für einen Tim Burton finde ich es ohnehin ziemlich gewagt, sich an eine Künstlerbiographie zu trauen – so nah an der Realität waren seine Geschichten ja bisher noch nie. Aber allen Anschein nach haben ihn die namensgebenden „großen Augen“ und der Hype um die Keane-Gemälde mehr inspiriert als die Künstlerin selbst. Große Augen scheinen ihm ohnehin zu gefallen, denn die kennen wir ja schon aus Nightmare Before Christmas, Corpse Bride und Frankenweenie.  Nur so erklärt sich mir jedenfalls der eher halbherzige Versuch einer Biographie, bei der am Ende deutlich wird, dass sich der Regisseur wohl selbst nicht so ganz darüber im Klaren ist, worauf der Fokus liegen soll und ob diese Bilder nun Kunst, Kitsch oder oder Trash sind. Eventuell fand er auch gerade den letzten Fakt (in Hinblick auf seine eigene Filmographie) so spannend, dass er sich auf völlig neue und fast schon konservative Pfade begeben hat. Denn auch seine sonst so klare „Handschrift“ habe ich schmerzlich vermisst. Bis auf ein paar Frauen mit riesigen Augen, die sich Margaret Keane bei einem Einkauf im Supermarkt einbildet (oder haben sie sich tatsächlich so angemalt?), war da nichts, was auf Tim Burton als Regisseur hätte hindeuten können. Der Spagat zwischen Ernsthaftigkeit und Komödie gelingt ihm zwar stellenweise gut, wirkt aber dennoch insgesamt nicht ganz stimmig. Hinzu kommt, dass der Film fast schon lehrfilmartig zeigt, wie ein Hype entsteht und ich mir nicht sicher bin, ob diese Darstellung dem Thema tatsächlich gerecht wird. All das trägt dazu bei, dass mein Urteil ziemlich gemischt und wenig einhellig ausfällt. Kurzum: Für einen Burton-Film zu lasch und für ein Biopic zu unseriös – Das ist aus meiner Sicht nichts Halbes und nichts Ganzes, schade. Nichtsdestotrotz – und das muss man dem Film ohne Zweifel zugestehen –  ist Big Eyes ein unterhaltsamer und abendfüllender Film, bei dem der Regisseur einmal andere Wege beschreitet als bisher. Für die Burton-Fans und die Kunstinteressierten unter euch ist der Film sicherlich so oder so sehenswert, für alle anderen aber kein Muss.   fg

Quelle: moviepilot.de
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US 2014

Produktion: u.a. Tim Burton Productions, The Weinstein Company

Regie: Tim Burton

Schauspieler: u.a. Christoph Waltz, Amy Adams, Krysten Ritter

Lief an am: 23.04.2015

Genre: Biopic, Komödie, Drama

Laufzeit: 107 Min.

Ein lange verkanntes Genie

The Imitation Game – Ein streng geheimes Leben

Quelle: moviepilot.de
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Wir arbeiten uns im Moment so gut es geht durch die Oscarnominierungen und widmen uns heute Morten Tyldums ersten englischsprachigen Film The Imitation Game – Ein streng geheimes Leben (Originaltitel: The Imitation Game), der auf der Biographie „Alan Turing – Enigma“ von Andrew Hodges basiert und für insgesamt 8 Oscars nominiert ist, u.a. in den Kategorien „Bester Film“ und „Bester Hauptdarsteller“.

Erzählt wird die Geschichte des britischen Mathematikers und Kryptoanalytiker Alan Turing (Benedict Cumberbatch), dem es mit Hilfe einer Handvoll Wissenschaftler in Bletchley Park gelungen ist, ENIGMA – das Verschlüsselungssystem der Deutschen im Zweiten Weltkrieg – zu knacken. Der Fokus liegt dabei jedoch vielmehr auf der Person selbst und der spannenden Frage, wie Turing das scheinbar unmögliche geglückt ist, als auf dem weltpolitische Geschehen. Dieses spielt lediglich am Rande und gibt vor allem den Handlungsrahmen vor. Als Schlüsselmoment spielt besonders Turings Homosexualität eine entscheidende Rolle, die ihm im Großbritannien der 1950er Jahre zum Verhängnis werden sollte.

Bereits 2001 wagte sich Filmemacher Michael Apted auf der Vorlage des Romans „Enigma“ von Robert Harris an das lange unter Verschluss gehaltenen Thema ENIGMA und seine Folgen. Die Kritiken waren gut, der Cast war mit Kate Winslet und Dougray Scott auch erstklassig besetzt. Standen jedoch vor 14 Jahren vor allem die militärgeschichtlichen und geheimdienstlichen Ereignisse nach der Entschlüsselung des ENIGMA-Codes im Vordergrund, wird in The Imitation Game das Leben des zurecht als Genie betitelten Alan Turings gewürdigt, das im Jahr 1999 erstmals geehrt wurde. Posthum, versteht sich. Ebenfalls posthum erfolgte 2013 die Begnadigung des 1952 wegen „grober Unzucht und sexueller Perversion“ verurteilten Wissenschaftlers. Reichlich spät folgt nun also auch das Biopic über den – um korrekt zu bleiben – Urvater unserer aller Lieblingsmaschine, den Computer. Auch diesmal wurde bei der Besetzung nicht gegeizt, Benedict Cumberbatch spielt die Rolle des verschrobenen Genius‘ wie gewohnt souverän und auch Keira Knightley macht sich als Turings „bessere Hälfte“ ganz gut. Trotz oder gar wegen der Mehrfachnominierung für den Oscar, sind die Kritiken nicht ausnahmslos positiv. Der Film wird vor allem wegen vermeintlich historischer Falschdarstellungen bzgl. Turings Anklage und den polizeilichen Ermittlungen gegen ihn kritisiert. Außerdem wäre Turing infolge seiner Taten im Film ein Landesverräter gewesen, was historisch nicht belegt ist. So kurz vor den Oscar-Verleihungen steckt aber vielleicht auch ein gewisses Kalkül hinter diesen Anschuldigungen. Der gelungenen Annäherung an das Thema und dessen Umsetzung, wenn auch in gewohnten Fahrwassern verbleibend, tun solche Kritiken jedoch kaum einen Abbruch. Gemessen an seinen Errungenschaften für die Weltgeschichte, war es wahrlich an der Zeit, das Leben dieses außergewöhnlichen Mannes auf die Kinoleinwand zu bringen. Was das betrifft, haben Morten Tyldum und seine Crew eine solide, wenn auch nicht zwingend oscarreife Leistung abgeliefert.   fg

Quelle: moviepilot.de
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US/ GB 2014

Produktion: u.a. Warner Bros., Black Bear Pictures

Regie: Morten Tyldum

Schauspieler: u.a. Benedict Cumberbatch, Keira Knightley, Matthew Goode

Läuft an am: 22.01.2015

Genre: Drama

Laufzeit: 115 Min.