Reif für die WG

Wir sind die Neuen

Quelle: Moviepilot.de
Quelle: Moviepilot.de

Entgegen der allgemeinen Auffassung, deutsches Kino könne nichts, beweist Drehbuchautor, Regisseur und Produzent Ralf Westhoff zusammen mit seiner „Oldie“-Crew Gisela Schneeberger, Heiner Lauterbach und Michael Wittenborn dieser Tage, dass in der deutschen Filmlandschaft sehr wohl was geht. Und er beweist auch, dass es für eine gut gemachte Komödie keines Schweiger oder Schweighöfer (mehr) bedarf.

Wohnen wird überall teurer, doch in München verkommt der Quadratmeter zum reinsten Luxusgut. Hier leben seit Urzeiten die drei Best Ager Anne (Gisela Schneeberger), Eddie (Heiner Lauterbach) und Johannes (Michael Wittenborn), die sich noch von früher aus alten WG-Tagen kennen, aber wie es eben so ist, irgendwann aus den Augen verloren haben. Doch zurück ins Jetzt: Anne muss unverhofft raus aus ihrer schönen Münchner Stadtwohnung und steht im Grunde auf der Straße, denn obwohl sie lange Zeit als Biologin tätig war, kann sie sich ein Leben in ihrer heillos überteuerten Heimatstadt nicht mehr leisten. Doch schnell kommt sie auf eine Idee, die es nur noch in die Tat umzusetzten gilt – Warum nicht wieder zurück zu den Anfängen und noch einmal das Abenteuer WG wagen? Also ist Klinkenputzen angesagt und tatsächlich: der etwas cholerische Eddi und der schlaksige Johannes lassen sich kurzerhand zu Annes Experiment breitschlagen. Herrlich, so ein Leben ohne Zwänge, endlich mal wieder ordentlich auf den Putz hauen und der alten Zeiten wegen bei ein oder auch zwei Bierchen den nächtlichen Küchendebatten frönen, haben sich die drei Neuen gedacht, haben dabei aber die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Denn die verschrobene Nachbar-WG im Obergeschoss, bestehend aus den Jura-Studenten Katharina (Claudia Eisinger) und Thorsten (Patrick Güldenberg) sowie der angehenden Kunsthistorikerin Barbara (Karoline Schuch),  findet das so gar nicht komisch und hat wenig Verständnis für das coole Rentner-Trio…

Wir sind die Neuen ist eine herrliche Milieustudie rund um das WG-Leben und gesellschaftliche Klischees, steigende Mietpreise in deutschen Städten und nicht zuletzt den Generationen-Konflikt, brillant aufgebrochen durch allerfeinsten Humor und grandiose Dialoge. Man kommt nicht umhin als Zuschauer herzlich zu lachen, wenn Eddi bei der Wohnungsbesichtigung in Anbetracht der Unmengen von Bewerbern in 68er-Stimmung gerät und parolenhaft gegen den Kapitalismus wettert, Anne über den Sinn von Schuhkartons in der Diele seniert, die die studentischen Nachbarn paradoxerweise mit Fotos von den darin befindlichen Tretern beklebt haben und wenn sich Johannes elfengleich seinen täglichen Jogaübungen zu Gunsten der inneren Körpermitte widmet. Ein wenig einseitig und überzeichnet erscheinen da die „Studis“, auf die der Regisseur jedoch auch nicht den Fokus setzt, denn der liegt ganz klar auf den charmanten Ruheständlern. Mit Wir sind die Neuen ist es Ralf Westhoff auf wunderbare Weise gelungen, eine zurückhaltende, ehrliche und lebenskluge Komödie auf die Kinoleinwände zu zaubern, die sich keineswegs verstecken und den Vergleich mit den üblichen, in unangenehmer Regelmäßigkeit erscheinenden Schenkelklopfer-Komödien nicht zu scheuen braucht.   fg

Und weil’s so schön war, hier mal ein kleiner Einblick:

Plakat_WIR-SIND-DIE-NEUENDE 2014

Produktion: Westhoff Film

Regie: Ralf Westhoff

Schauspieler: u.a. Gisela Schneeberger, Heiner Lauterbach, Michael Wittenborn

Lief an am: 17.07.2014

Genre: Komödie

Laufzeit: 92 Min.

Bei Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker

Side Effects

In Steven Soderberghs SideSide-Effects-3_article Effects kämpft Rooney Mara an der Seite von Jude Law gegen Depressionen.

Emily (Rooney Mara) scheint mit ihrem Mann Martin (Channing Tatum) endlich ihr Glück gefunden zu haben. Der jungen Frau aus einfachen Verhältnissen stehen alle Türen offen, bis Martin eines Tages wegen Betrugs verhaftet wird und für mehrere Jahre hinter Gitter wandert. Emily ist von nun an auf sich gestellt und muss den Alltag alleine bewältigen. In ihrer Einsamkeit wird sie depressiv und begibt sich in therapeutische Behandlung. Jahre später wird Martin aus der Haft entlassen, doch Emily ist mit der Situation überfordert und ihre Depressionen verschlimmern sich. Nach ihrem ersten Selbstmordversuch werden ihr vom behandelnden Psychiater im Krankenhaus (Jude Law) Psychopharmaka verschrieben. Zunächst scheinen ihr die Medikamente zu helfen, doch dann machen sich die ersten Nebenwirkungen bemerkbar.

Side Effects beginnt als Drama, entwickelt sich aber sehr schnell zum packenden Thriller mit überraschenden Twists und Wendungen. Der elegante Thriller erinnert ein wenig an die glorreiche Hitchcock Ära – aber eben nur fast. Side Effects schafft es zwar durchaus zu überraschen, aber nicht wirklich zu faszinieren. Leider konnte sich Steven Soderbergh nicht entscheiden, ob er eine Kampagne gegen die Pharmaindustrie oder doch lieber einen spannenden Thriller drehen will. Die Kombination aus beidem gelingt nur ansatzweise. Auf ganzer Linie punktet Side Effects dafür jedoch mit seinem Schauspielensemble! Rooney Mara kann man durchaus als Idealbesetzung für die junge Emily bezeichnen und Catherine Zeta-Jones und Jude Law spielen auf gewohnt hohem Niveau. Alles in allem ist Side Effects  ein guter Film, aber kein Thriller der lange in Erinnerung bleibt.   sk

USA 2013Side-Effects-1

Regie: Steven Soderbergh

Darsteller: Rooney Mara, Jude Law, Catherine Zeta-Jones

Genre: Thriller, Drama

Laufzeit: 106 Minuten

Lief an am: 25.04.2013