Unverhofft kommt oft

Die Eiskönigin – Völlig Unverfroren

die-eiskoenigin-12Zugegeben, mit der Rezension zu Die Eiskönigin – Völlig Unverfroren (Originaltitel: Frozen) bin ich nicht ganz top aktuell, aber ich dachte mir, besser spät als nie. Außerdem sind die Einspielergebnisse so gut, dass der Film noch immer in den Kinos läuft. Ich habe ihn mir einen Tag vor Heilig Abend angeschaut und bin, wider der Temperaturen draußen, drinnen im Kinosaal tatsächlich ein bisschen in so etwas wie Weihnachtsstimmung gekommen, wenn auch nur für die unglaubliche Dauer von 103 Minuten, denn so lange lief der 53. Disney-Streifen unter der Regie von Jennifer Lee und Chris Buck.

Elsa (Dina Kürten) und Anna (Yvonne Greitzke) sind zwei aufgeweckte kleine Mädchen – aber nicht irgendwelche, sondern die Königskinder von Arendelle. Wie alle anderen Kinder auch, spielen und toben sie unheimlich gern. Soweit, so normal. Elsa besitzt jedoch die äußerst seltene und übermächtige Fähigkeit, alle nur erdenklichen Dinge zu vereisen. Damit lassen sich prima Schneewiesen zaubern und Eisburgen bauen. Doch eines Tages, als die beiden Schwestern frühmorgens wild umhertollen, passiert, was passieren muss. Sie werden übermütig und Anna droht zu stürzen. Im letzten Moment eilt ihr Elsa mit ihren magischen Kräften zu Hilfe, trifft sie jedoch am Kopf. Anna fällt bewusstlos zu Boden und kann erst von den Trollen im Zauberwald wieder geheilt werden. Für die Eltern der Mädchen steht fest, dass Elsa von nun an um ihrer selbst willen und zum Wohle der anderen von der Außenwelt abgeschirmt werden muss. In den schützenden Mauern des Schlosses soll sie fortan lernen, ihrer Kräfte Herr zu werden. So verbringt Elsa Jahr um Jahr zurückgezogen in ihrem Zimmer, schafft es jedoch nicht, ihre Kräfte in den Griff zu bekommen. Obwohl die Schwestern in einem Schloss leben, entfremden sie sich mehr und mehr und begegnen einander kaum. Erst am Tag von Elsas Krönung sehen sich die Geschwister seit langer Zeit endlich wieder. Zunächst scheint alles gut zu verlaufen, auch wenn Elsa unter einem ungeheuren Druck steht und Angst hat, wieder jemandem weh zu tun. Das Fest ist in vollem Gange, als Anna der Schwester ihren Liebsten vorstellt und mit der Tür ins Haus fällt, Hans (Robin Kahnmeyer) heiraten zu wollen. Elsa gerät außer sich vor Wut und verwandelt Arendelle in eine Wüste aus Eis und Schnee. Als sie schließlich sieht, was sie angerichtet hat, flieht sie in die Berge, um dort endlich die sein zu können, die sie ist – ohne jemandem ein Leid zuzufügen. Anna begibt sich sogleich auf die Suche nach Elsa und bekommt auf ihrer Reise unverhofft Hilfe von Naturbursche Kristoff (Leonhard Mahlich), seinem treuen Rentier Sven und dem herzallerliebsten sprechenden Schneemann Olaf (Hape Kerkeling). Ein langer Weg und ein großes Abenteuer beginnt…

Der Plot verrät schon, dass es einige Zeit dauert, ehe es in Die Eiskönigin – Völlig Unverfroren zur Sache geht. Die Vorgeschichte an sich ist schon dicht mit Inhalt gefüllt, was jedoch nicht zwingend negativ ins Gewicht fällt, weil es weder an vorantreibender Geschwindigkeit noch an Spannung mangelt. Aufmerksamkeit ist dadurch allerdings von Beginn an geboten, zu schnell droht sonst die Gefahr etwas Wesentliches zu verpassen. Emotionen werden – und das hat mich besonders gefreut – nach alter Disney-Tradition, überwiegend durch gefühlvolle Gesangseinlagen (insbesondere) der zwei Hauptprotagonistinnen transportiert und entfalten sogleich ihre Wirkung beim Publikum. Keine Frage: der Soundtrack von Robert Lopez und Kristen Anderson-Lopez geht unter die Haut und mit ihm der Film. Die Mischung aus Slapstick und ergreifender Dramatik ist im großen und ganzen gelungen, an manchen Stellen wurden die Übergänge allerdings etwas zu  abrupt vollzogen. Überhaupt ergibt die Verknüpfung traditioneller Musical-Elemente mit dem heutigen Zeitgeist (in Form von Witzen/Humor respektive moderner Artikulation/Dialoge) eine runde Sache – Alt und Neu gehen wunderbar miteinander konform. Anders als bei den meisten Disney-Filmen ist über weite Strecken des Films kein erkennbarer Antagonist im Spiel. Der Herzog von Pitzbühl, Gast auf der Krönungsfeier, scheint Königin Elsa zwar nicht sonderlich gewogen zu sein, dennoch weist er nicht die Züge eines typischen Böswichtes auf. Erst sehr spät wird klar, wer die Rolle des Schurken übernimmt (so ganz ohne geht es eben doch nicht) und der Film bekommt eine unverhoffte Wendung. Dieser inhaltliche Schachzug von Disney ist sowohl größte Stärke als auch größte Schwäche des Films. Positiv zu werten ist dabei, dass die Geschichte erfrischenderweise nicht von vornherein vorhersehbar ist und diese Spannung bis fast zum Schluss aufrecht erhalten wird. Hierfür sind Figurenkonstellation und Plot verantwortlich. Das große Manko ist allerdings, dass der Zuschauer durch diese inhaltliche Wendung einigermaßen ratlos zurückgelassen und vor vollendete Tatsachen gestellt wird. Wie realistisch die vollzogene Wandlung ist, sei außerdem mal dahin gestellt (wobei „Realismus“ bei Filmen dieser Art natürlich relativ ist und kein schlagendes Argument bietet). Auf den ebenso wenig realistischen, sprechenden und vom Sommer träumenden Schneemann Olaf, im Deutschen vom einzigartigen Hape Kerkeling gesprochen, hätte ich wiederum nicht verzichten wollen. 😉 Die Idee und Realisierung des Films auf Grundlage des Märchens Die Schneekönigin von Hans Christian Andersen war ein Herzenswunsch von Gründer Walt Disney persönlich. Nun endlich konnte der Märchen-Stoff in Disney-Stoff umgewandelt werden – das Ergebnis ist, mal abgesehen von den wenigen Kritikpunkten, besonders in 3D durchaus sehenswert. Für mich der beste Disney-Film nach Bärenbrüder und sicher einer, der mir im Gedächtnis bleiben wird.

Gesondert zu betrachten und würdigen ist der Vorfilm Get a Horse anlässliche Mickey’s 85. Geburtstages. Wer hier die 2D-Vorführung wählt, verpasst etwas. Mit wunderbar „alten“ Bildern und der neuesten 3D-Technik wird eine großartige Symbiose zweier Trickfilm-Epochen geschaffen. Dazu benötigt es natürlich einer ausgetüftelten und wohl durchdachten Story, die begeistern und auf den eigentlichen Film einstimmen kann. Plötzlich steigt Mickey aus der Kinoleinwand ins Publikum und wird scheinbar zu einer wahrhaftigen Person. Nebenbei liefert er sich ein actionreiches, im wahrsten Sinne des Wortes, Katz-und-Maus-Spiel mit Kater Karlo. Dieses kleine, aber feine Filmchen verdeutlicht, wie schwimmend die Grenzen zwischen Realität und Fiktion sein können, sprich, wozu die Technik mittlerweile in der Lage ist und zeichnet die Entwicklung der Disney-Filme eindrücklich nach.   fg

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USA 2013

Produktion: Walt Disney Animation Studios, Walt Disney Pictures

Regie: Jennifer Lee, Chris Buck

Synchronsprecher: u.a. Dina Kürten, Yvonne Greitzke, Leonhard Mahlich, Hape Kerkeling, Robin Kahnmeyer

Gesang: u.a. Willemijn Verkaik, Pia Allgaier, Manuel Straube

Lief an am: 28.11.2013

Genre: Animationsfilm, Musical, Märchen

Laufzeit: 103 Min.

Skrupellos, heimtückisch und manipulativ…

Das Haus der Lady Alquist

Gaslight-2…, das sind die wohl eher unschicklichen Eigenschaften von Gregory Anton (Charles Boyer), des Ehemannes der jungen Paula Alquist (Ingrid Bergman), die aber leider über so gar keine Menschenkenntnis zu verfügen und deren rosarote Brille wie angewachsen scheint. Doch kann man es sich als Zuschauer wirklich so leicht machen und Paula für ihre Naivität verurteilen oder ist diese Position falsch und es ist vielleicht doch gar nicht so unwahrscheinlich und abwegig, sich in Menschen, die einem nahe stehen, grundlegend täuschen zu können? Diese Frage habe ich mir während der Sichtung von Das Haus der Lady Alquist (Originaltitel: Gaslight) immer wieder gestellt. Trotz sieben Oscar-Nominierungen, zwei tatsächlichen Oscar-Auszeichnungen (in den Kategorien „Beste Hauptdarstellerin“, „Beste Filmbauten – Innenausstattung/schwarz-weiß“) und einem gewonnenen Golden Globe (ebenfalls für die „beste Hauptdarstellerin“) ist dieser Thriller aus dem Jahr 1944 von George Cukor bis heute nur wenig populär. Umso interessanter also für mich, mal einen „neuen“, außerhalb der „Hitchcock-Sphäre“ produzierten Thriller unter den Classic Movies zu entdecken.

Paula Alquist, die Nichte der berühmten Sängerin Alice Alquist, findet ihre Tante eines Nachts ermordet in ihrer Villa in London vor. Um den Schock zu überwinden, wird das Mädchen auf ein Internat geschickt, das sie zehn Jahre später wieder verlässt. Sie zieht nach Italien, beginnt, ebenso wie ihre Tante, eine Karriere als Sängerin und verliebt sich dabei in den Pianisten Gregory Anton. Das noch frische Paar heiratet wenig später und zieht auf Wunsch von Gregory in die alte Villa der Tante ein. Hier gehen jedoch seltsame Dinge vor sich. Jeden Abend um dieselbe Uhrzeit vernimmt Paula über ihrer Stube Schritte, die auf dem zugenagelten Dachboden auf und ab gehen. Eingeleitet wird der Spuk durch schwächer werdendes Licht in den Gasleuchtern, für das jedoch weder Gregory noch das Dienstmädchen Nancy (Angela Lansbury) oder die Köchin Elizabeth (Barbara Everest) verantwortlich sein wollen. Allmählich beginnt Paula an sich und ihrer geistigen Zurechnungsfähigkeit zu zweifeln, denn insbesondere ihr geliebter Angetrauter Gregory erklärt sie mehr und mehr für verrückt. Was Paula jedoch nicht bemerkt, ist, dass dieser sie ganz gezielt in den Wahnsinn treibt. So macht er ihr z.B. weis, sie verläge und vergesse ständig irgendwelche Dinge, über die sie doch eben noch gesprochen hätten. Diese Vorgehensweise soll als Ablenkungsmanöver dienen, um sich im Haus der Tante in Ruhe auf die Suche nach etwas zu begeben, wonach Gregory schon lange lechzt. Zum Glück ist da noch der ausgeschlafene Agent Brian Cameron (Joseph Cotten) von Scotland Yard…

Auch wenn Hitchcock diemsal nicht seine Finger im Spiel hatte, lebt der Film vom typischen „Suspense“. Zwar ist die Handlung ab einem bestimmten Punkt absehbar, die Spannung bleibt jedoch trotzdem den ganzen Film über erhalten. Dafür sorgt vor allem die großartige und zurecht mit einem Oscar ausgezeichnetete Ingrid Bergman, die für ihre Rolle als „angehende“ Verrückte sehr genaue Recherche betrieben und dafür sogar einige Zeit in einer Nervenheilanstalt verbracht hat. Auch Charles Boyer spielt seine Rolle als hinterhältiger, vermeintlich liebender Ehemann einwandfrei, denn als Zuschauer bemerkt man zunächst nur sehr schleichend, dass mit ihm irgendetwas nicht stimmt. Die immer häufiger werdenden kurzen Anfälle von Jähzorn und Wut führen Stück für Stück auf die richtige Fährte und die Wandlung von Gut zu Böse könnte nicht perfekter sein. Überrascht war ich auch vom Auftritt der noch sehr jungen (17-jährigen) Angela Lansbury, die ich bisher nur als liebenswürdige Jessica Fletcher aus Mord ist ihr Hobby kannte. Besonders gut gelungen ist neben dem originalgetreuen Set und der Ausstattung vor allem aber der schon zu Beginn erwähnte psychologische Aspekt der Vorverurteilung. Kann einem soetwas wirklich passieren? Ist es möglich, dermaßen geblendet und in die Irre geführt zu werden? Die Frage bleibt spannend und klingt auf jeden Fall nach. Ein bisschen bitter stößt die Tatsache auf, dass MGM seinerzeit versuchte, alle Filmkopien des Originalfilms Gaslight (von Thorold Dickinson; 1940) aufzukaufen, um sie anschließend zu vernichten. Dass schon im damaligen Hollywood solche fragwürdigen „Vermarktungsstrategien“ an der Tagesordnung waren, stimmt ein wenig nachdenklich und macht mich nur noch neugieriger auf das Original.

gaslight-1944-posterUSA 1944

Produktion: MGM

Regie: John Cukor

Schauspieler: u.a. Ingrid Bergman, Charles Boyer, Angela Lansbury, Joseph Cotten

Laufzeit: 109 Min.

Genre: Thriller