Keine schlechte Medizin

Super-Hypochonder

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Quelle: Prokino

Und es folgt der vierte Streich: Dany Boon hat’s mal wieder getan, er hat einen neuen Film gedreht. In üblicher Manier natürlich, denn auch diesmal bringt er die Lachmuskeln ordentlich zum Beben, wenngleich der Film nicht an die Sch’tis heranreicht und die Story nicht ganz so rund erscheint.

Romain Faubert (Dany Boon) ist ein Hypochonder wie er im Buche steht. Das tägliche Fiebermessen ist ein fester Bestandteil seines Lebens, ebenso wie das ständige Desinfizieren der Hände und Nasenlöcher. Öffentliche Verkehrsmittel sind für ihn ein Graus, fliegen doch dort unkontrolliert ganze Populationen von Keimen, Bazillen und Viren durch die Luft – auf der ständigen Suche nach einem neuen Wirt. Deshalb stehen in Romains Wohnung auch keine Bücher im Regal, sondern Ibuprofen, Paracetamol und Hustenlöser. Vorsicht ist schließlich besser als Nachsicht. Bei seinem Hausarzt Dr. Dimitri Zvenka (Kad Merad) ist er schon „Stammkunde“, ganz zum Leidwesen des Arztes, dessen Nerven allmählich blank liegen. Irgendetwas muss geschehen, so kann es nicht weitergehen, denkt sich Dimitri und erteilt Romain kurzerhand Hausverbot. Weil der Arzt jedoch ein gutes Herz hat und die Ursache des Problems in der Einsamkeit seines Patienten sieht – der, wie er sagt, „schlimmsten Krankheit unserer Zeit“ – versucht er Romain mit dem Leben zu konfrontieren und den armen Tollpatsch zu verkuppeln. Schnell muss er allerdings feststellen, dass sich dieses Unterfangen als äußerst schwierig erweist. Schließlich ist Hypochondrie nicht besonders sexy, im Gegenteil. Also greift Dimitri zu Plan B: Er nimmt Romain mit zu einem seiner Einsätze bei „Ärzte ohne Grenzen“ und wagt die Schocktherapie. Erst sieht es so aus, als ginge der Plan tatsächlich auf, doch dann wird Romain fälschlicherweise mit dem Anführer einer Revolution im postsozialistischen Ausland verwechselt und das Übel nimmt seinen Lauf…

Der aufmerksame Kinogänger wird es bereits bemerkt haben, Boon’s Komödien funktionieren immer nach demselben Prinzip: Es gibt ein Problem, meist ein drastisches, das der Protagonist jedoch nicht lösen, sondern vermeiden will. Dennoch ist immer jemand zur Stelle, der der im Grunde dennoch liebenswerten Hauptfigur zum Glück verhelfen will. Daraus entsteht eine ganz eigene Komik, die Dany Boon und Kad Merad geradezu inhaliert zu haben scheinen (mal ganz abgesehen davon, dass man dem Boon’schen Charme sowieso sofort erliegt). Dass das Hauptaugenmerk des Films nicht nur darauf liegt, einen Hypochonder oder gar Super-Hypochonder gesunden zu lassen, sondern im Zuge dessen auch der Liebe auf die Sprünge zu helfen, wird recht schnell klar. Seltsam ist nur die Wendung, die der Film im zweiten Drittel erfährt und ein My zu konstruiert wirkt. Mit nicht ganz so vielen Lachern wie gewohnt und mitunter auch einigen Oberschenkelklopfern kann Super-Hypochonder nicht vollends an vorherige Erfolge anknüpfen, ist aber mit Sicherheit auch nicht die schlechteste Medizin gegen Trübsinnigkeit.   fg

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Quelle: moviepilot.de

BE/FR 2014

Produktion: Prokino

Regie: Dany Boon

Schauspieler: u.a. Dany Boon, Kad Merad, Alice Pol

Lief an am: 10.04.2014

Laufzeit: 107 Min.

Genre: Komödie

„Die Invasion der Camemberts“

Nichts zu verzollen

nichts-zu-verzollen7Wir erinnern uns: Nachdem Willkommen bei den Sch’tis (Originaltitel: Bienvenue chez les Ch’tis) 2010 zum bis heute erfolgreichsten französischen Film im eigenen Land avancierte, erschien 2011 die zweite Kino-Komödie des talentierten Schauspielers und Regisseurs Dany Boon – Nichts zu verzollen (Originaltitel: Rien à déclarer). Nicht nur in Frankreich konnten die Sch’tis dazumal die Massen begeistern, sie wurden auch in Deutschland zum absoluten Publikumsrenner. Ein Grund mehr, endlich auch den „Nachfolger“ mal genauer unter die Lupe zu nehmen und zu untersuchen, ob dessen Stoff den herrlich verschrobenen, aber durch und durch liebenswerten Nordfranzosen das Wasser reichen kann.

Die Zollbeamten Ruben Vandevoorde (Benoît Poelvoorde) und Mathias Ducatel (Dany Boon) mögen einander nicht besonders, um nicht zu sagen überhaupt nicht. Warum? Ganz einfach: Der eine ist Belgier und mit Leib und Seele Nationalist, der andere Franzose und genervt von der Idiotie des engstirnigen „Camembert-Hassers“. Gott sei Dank, gibt es eine klare und eindeutige Grenze mit je einer Zollstation auf jeder Seite, sodass man sich gegenseitig gepflegt aus dem Weg gehen und den Buckel runterrutschen kann. Dumm nur, dass die Grenzen im Zuge der Errichtung des europäischen Binnenmarktes 1993 frei passierbar und sämtliche Zollstationen mehr oder weniger überflüssig werden. Wie grässlich! Zum einen, weil Ruben nun die endgültige „Invasion der Camemberts“ befürchtet und zum anderen, weil ausgerechnet er (zur Bestrafung für seine immerwährenden Anfeindungen mit den französischen Kollegen) und der vorlaute Mathias, der sich im Gegensatz zu Ruben freiwillig meldet, eine binationale Fahndungspatrouille bilden sollen. Schreck lass nach – dem Belgier wird in Anbetracht dieser unumgänglichen Disziplinarmaßnahme heiß und kalt. Mathias hingegen geht ganz gezielt auf Konfrontationskurs, stellt dieser doch einen elementaren Bestandteil seines nicht ganz uneigennützigen Plans dar: Nachdem sich die schöne Louise (Julie Bernard), Rubens Schwester und Mathias‘ große Liebe, schweren Herzens dazu entschließt, sich wegen Ruben und des nicht weniger nationalistischen Rests der Familie von Mathias zu trennen, versucht dieser, sich mit Ruben zu versöhnen und seine Herzallerliebste auf diese Weise zurückzugewinnen. Wie so oft im Leben, ist der Weg das Ziel, der sich in diesem Fall aber nicht ganz einfach gestaltet und so einige skurril-komische Situationen heraufbeschwört…

Nichts zu verzollen trägt unverkennbar Boons Handschrift. Thema sind, wie schon bei den Sch’tis, die Differenzen zweier, auf den ersten Blick verschiedener Menschenschläge, die sich aber doch ähnlicher sind, als sie denken. Auch diese Komödie ist im französischen Norden angesiedelt, nur diesmal sind nicht die Sch’tis das seltsame und eigenbrödlerische Völkchen, das man nur bedauern kann, sondern die im Schatten Frankreichs stehenden Belgier. Diese Verschiebung ist wohl hausgemacht, konnten die Nordfranzosen (und mit ihnen der gebürtige Nord-Pas-De-Calaise Dany Boon) mit der erfolgreichen „Sch’ti-Komödie“ endlich den eigenen Stolz wiedergewinnen und sich emanzipieren. So ist auch die kuriose Übertragung des Sch’ti-Dialektes auf die Belgier zu erklären, die zunächst ein wenig verwundert. Auch in Nichts zu verzollen spielt Boon also mit Klischees, um sie komödiantisch peu à peu aufzulösen. Damit macht er es sich allerdings keineswegs einfach. Einen Rassisten zu bekehren, bedarf naturgemäß einiger Zeit, wenn es überhaupt gelingt, weswegen sich der Film (gefühlt) auch etwas in die Länge zieht. Das Ausloten dieser Nuancen ist Boon dennoch gut gelungen, denn eine zu schnelle Abkehr von Rubens Prinzipien wäre unglaubwürdig und geschönt. Gegen Ende wird die Komik durch einen sehr ernsten Moment durchbrochen, der aber nicht fremdkörperhaft anmutet. An Charme, Witz und Unterhaltsamkeit fehlt es der Boon’schen Komödie auf jeden Fall nicht.

Alles in allem orientiert sich Nichts zu verzollen in der Grundidee sehr an Willkommen bei den Sch’tis und ist sicher keine filmische Innovation. Dennoch ist die Komödie gelungen, wenn auch ein klein wenig langatmig. Wer Dany Boon und seinen außerordentlichen Humor jedoch schätzt, sollte ruhig mal einen Blick riskieren.

Nichts_zu_verzollenFR 2011

Produktion: Prokino

Regie: Dany Boon

Schauspieler: u.a. Dany Boon, Benoît Poelvoorde, Julie Bernard

Lief an am: 28.07.2011

Genre: Komödie

Laufzeit: 108 Min.