Sein letztes Rennen
Es passiert wirklich ausgesprochen selten, dass ich im Kinosessel sitze und heule wie ein Schlosshund. Didi Hallervorden hat es geschafft. Ich bin kein Freund von Übertreibungen, aber ich war tatsächlich so gerührt, dass es fast schon wehgetan hat. Und das soll was heißen. Ich kann es nicht anders sagen: Sein letztes Rennen ist ein toller, toller, toller Film, einer der besten deutschen Filme der vergangenen Jahre. Guckt ihn euch an, ihr werdet’s nicht bereuen!
Der Inhalt ist relativ schnell erzählt: Paul Averhoff (Dieter Hallervorden) und seine Frau Margot (Tatja Seibt) sind zwei in die Jahre gekommene ältere Herrschaften, denen es zunehmend schwerer fällt, das tägliche Leben allein zu bewältigen. Insbesondere Margot geht es immer häufiger schlecht. Mehrfach ist es schon vorgekommen, dass sie ganz unerwartet umkippt. Eine untragbare Situation für Tochter Birgit (Heike Makatsch), die ihre Eltern schließlich dazu überredet, ins Altersheim zu ziehen. Während sich Margot mit der neuen Situation schnell anfreundet, fühlt sich Paul in seiner Freiheit beraubt. Kastanienmännchen basteln und blöde Kinderlieder trällern – das kann es doch nicht gewesen sein! Er will sich mit seinem Schicksal nicht geschlagen geben und beschließt wieder mit dem Laufen zu beginnen. Sein Kampfgeist ist geweckt. Ziel soll der Berlin-Marathon sein, schließlich ist er Goldmedaillengewinner der Olympischen Sommerspiele 1956. Die Heimleitung (Katrin Sass) hält ganz und gar nichts von diesen Fisimatenten. Der muss doch verrückt sein, dieser Averhoff! Der jedoch lässt sich das Rennen nicht verbieten und kämpft unerbitterlich für seinen Traum. Hilfe bekommt er neben seiner Frau vor allem auch von Pfleger Tobias (Frederick Lau), der die Heim-Tristesse nicht mehr mit ansehen kann und sich trotz schlechter Bezahlung und ordendlich Gegenwind von oben für Paul und die anderen Bewohner einsetzt.
Der Film gibt einen nicht zu ernsten Einblick in ein wichtiges Thema unserer Zeit und die Probleme, die daraus resultieren. Die Politik ist der immer älter werdenden Gesellschaft offensichtlich nicht gewachsen. Das Personal in deutschen Heimen ist gnadenlos unterbesetzt und obendrein grottenschlecht bezahlt, wodurch die Qualität vielerorts zu wünschen übrig lässt.
Die wichtigste Botschaft dieses Films ist jedoch eine andere, eine noch viel existenziellere: nämlich niemals aufzugeben, immer weiterzumachen und zu kämpfen. Bis zum Schluss. Diese Botschaft kommt auf sehr eindrucksvolle Art an und berührt sogar den härtesten Zuschauer.
Der Film vermittelt eine Grundstimmung, die ich nur schwer beschreiben kann: ehrlich, herzlich, melancholisch, rührend, witzig – all das zugleich. Dieter Hallervorden ist nicht nur ein hervorragender Komiker der alten Schule, sondern auch ein brillanter Schauspieler. Das hat er spätestens in Kilian Riedhofs neuem Film bewiesen. So authentisch wie er selbst ist auch seine Rolle des Paul Averhoffs. Er ist auf so unglaublich liebenswerte Weise eins mit dieser Rolle, dass man ihn an vielen Stellen des Films am liebsten dafür drücken würde. Auch Tatja Seibt spielt die Rolle der Margot exzellent. Die beiden Schauspieler harmonieren perfekt, fast so, als wären sie tatsächlich ein Paar. Ein kleines Haar in der Suppe ist lediglich der Fernsehauftritt bei Reinhold Beckmann, der mehr als inszeniert wirkt und den ich als fremkörperhaft empfinde. Diese Kleinigkeit tut der Sache allerdings keinen Abbruch, dass Sein letztes Rennen (verzeiht das plumpe Wortspiel) der absolute Renner ist! fg
Produktion: Universum Film GmbH
Regie: Kilian Riedhof
Schauspieler: Dieter Hallervorden, Tatja Seibt, Heike Makatsch, Katrin Sass, Frederick Lau
Lief an am: 10.10.2013
Laufzeit: 114 Min.
Genre: Tragikomödie, Gesellschaftsporträt