Von Apfelpflückern und Hummerfängern…

Gottes Werk und Teufels Beitrag

Wenn man wie ich, ausgerechnet zwischen Weihnachten und Silvester krank wird, hat man viel Zeit, sich sämtliche Filme anzusehen, die sich auf der To-do-Liste angesammelt haben. Darunter war auch das ein oder andere Juwel zu finden – besondere Filme, die einem zu dieser kalten Jahreszeit das Herz wärmen und ein wenig über die Erkältung hinwegtrösten. Einer dieser Filme war Gottes Werk und Teufels Beitrag,(Originaltitel: Cider House Rules) basierend auf den gleichnamigen Roman von John Irving, der auch für das Drehbuch verantwortlich ist.

Quelle: planet-wissen.de
Quelle: planet-wissen.de

Maine in den Dreißiger Jahren. Homer Wells (Tobey Maguire) hat seine gesamte Kindheit im einsam gelegenen Waisenhaus St. Clouds verbracht. Als heranwachsender Mann unterstützt er dort seinen Ziehvater Dr. Larch (Michael Caine) in der dazugehörigen Klinik. Dr. Larch, der Leiter des Waisenhauses, führt dort auch illegale Abtreibungen durch, wenn verzweifelte Frauen ihn darum bitten. Homer ist strikt gegen Abtreibungen, dennoch soll er eines Tages die Arbeit in der Klinik übernehmen. Insgeheim sehnt sich Homer jedoch danach, aus seiner vertrauten Umgebung auszubrechen und die Welt zu erkunden. Die Möglichkeit dazu findet sich, als das junge Paar Wally (Paul Rudd) und Candy (Charlize Theron) nach St. Clouds kommt, um eine Abtreibung vornehmen zu lassen. Die beiden nehmen ihn auf dem Heimweg zu der Plantage von Wallys Mutter mit, auf der Homer seinen Lebensunterhalt als Apfelpflücker verdienen kann. Homer genießt die neue Leichtigkeit seines Daseins und verliebt sich in die schöne Candy, die ganz in der Nähe bei ihrem Vater, einem Hummerfänger, lebt. Während Wally im Krieg als Fliegeroffizier kämpft, lässt sich Candy gerne von ihrer Einsamkeit ablenken. Doch schon bald muss Homer erfahren, dass er auch hier vor seiner Verantwortung nicht fliehen kann.

Quelle: moviepilot.de
Quelle: moviepilot.de

Lasse Hallström hat den Film bewusst in altmodischen Bildern im Stil der Dreißiger Jahre inszeniert, wodurch die spröde Schönheit der Landschaft umso besser zur Geltung kommt. Gottes Werk und Teufels Beitrag ist deshalb optisch schon ein Augenschmaus. Den Handlungsrahmen bildet die Selbstfindung und das Erwachsenwerden des Protagonisten. Die Story geht jedoch weit über den typischen Coming-of-Age-Film hinaus. Kritische Stimmen sind sogar der Meinung, dass hier zu viele Themen angeschnitten, aber nicht zu Ende gedacht werden. Fakt ist, es werden viele moralische Grundfragen aufgeworfen, allen voran Abtreibung, das Tabuthema der damaligen Zeit, aber auch Inzest, Vergewaltigung, Betrug, verwaiste Kinder und Krieg werden hier thematisiert. Dennoch wirkt der Film auf mich keineswegs überladen, denn Hallström reißt die Themen nur an, fällt dabei aber kein Urteil und schwingt auch nicht die moralische Keule. Wie der Titel es andeutet, geht es hier um die Schönheit der Welt, die aber eben nicht ohne Makel auskommt. Es geschehen jeden Tag wunderbare Dinge, aber ebenso viel Schreckliches. Gottes Werk und Teufels Beitrag zeigt, dass man versuchen muss, das Beste daraus zu machen und das Leben so zu akzeptieren wie es ist. Hallström schafft es zu berühren, dabei aber nicht in Rührseligkeit abzudriften. Trotz der teils dramatischen Handlung, wird der Film in einem ruhigen Tempo erzählt und ab und an durch dezenten, leisen Humor aufgelockert. Geradezu perfekt ausgewählt sind die Darsteller des Films. Tobey Maguire verkörpert den naiven, doch ernsthaften jungen Homer so glaubwürdig, wie es wohl kaum ein anderer hätte machen können. Auch Michael Caine spielt den Dr. Larch mit gewohnter Hingabe. Wunderschön  anzuschauen ist wie immer Charlize Theron, die es schafft ihrer Rolle eine berührende Verletzlichkeit zu verleihen. Michael Caine und John Irving wurden für ihre Leistung jeweils mit einem Oskar ausgezeichnet.   sk

USA 1999

Regie: Lasse Hallström

Schauspieler: u.a. Tobey Maguire, Michael Caine, Paul Rudd, Charlize Theron

Lief an am: 16.03.2000

Genre: Drama

Laufzeit: 131 Min.

Licht am Ende des Steges

Der große Gatsby [DVD/Blu-ray]

FL01_010.jpgDas epochale literarische Meisterwerk Der große Gatsby (Original: The Great Gatsby) von F. Scott Fitzgerald ist Gegenstand der gleichnamigen Neuverfilmung von Baz Luhrmann und gehört zu einem der bedeutendsten Novellen der amerikanischen Moderne. Doch worum geht es da eigentlich genau? Die Geschichte spielt in den 1920ern, während der Goldenen Ära in New York, genauer gesagt auf Long Island. Hier leben die reichen und neureichen durch eine Bucht voneinander getrennt. Man mag sich nicht besonders. Der einst mittellose, aber durch gut laufende Geschäfte mittlerweile sehr wohlhabende Jay Gatsby hat sich im Neureichenviertel West Egg niedergelassen und das aus gutem Grund. Seine selbst entworfene Villa ließ er genau gegenüber seiner großen Liebe Daisy Buchanan erbauen, die mit Mann und Kind inzwischen in East Egg residiert. Von seinem Steg aus kann Gatsby das grüne Licht am gegenüberliegenden Steg genau beobachten – das Sinnbild seiner Sehnsucht nach Daisy. Er veranstaltet Partys, die einem Vergnügungspark gleich kommen und wie ein „kaleidoskopischer Karneval“ anmuten, einzig in der Hoffnung, Daisy wiederzusehen. Nick Carraway, Daisys Cousin, führt als Erzähler durch die Novelle, denn er ist nebenbei auch Gatsbys Nachbar und sein einziger Freund. Er hilft Gatsby dabei, seiner großen Liebe wieder näher zu kommen und muss mit der Zeit erkennen, wie selbstsüchtig, arrogant und vor allem leichtfertig diese Gesellschaft ist, mit der er sich tagtäglich umgibt. Der Held des Romans ist zweifelsohne Gatsby, dessen Taten und Wirken sich nur aus einem Motiv begründen. Liebe. Der Liebe zu Daisy. Und das macht ihn in diesen Kreisen zu etwas Seltenem.

Luhrmanns Gatsby beindruckt durch bombastische Bilder, wilde Kamerafahrten, dramatische Slowmos und Time Lapse und basslastige Discosounds à la Beyoncé und Jay-Z. Das mag nicht jedem gefallen. Zu viel Pomp und Protz, Unnatürlichkeit und Aufgeblasenheit wird dem Film nachgesagt. Auf den ersten Blick nichts für den anspruchsvollen Kinogänger mit Hang zum Tiefsinn. Auf den zweiten aber durchaus. Ist es nicht genau das, was die vielverfilmte und sagenumwobene Novelle von F. Scott Fitzgerald zu vermitteln vermag? Von Natürlichkeit und Mäßigkeit ist da kaum die Rede. Thema des Klassikers ist genau dieser Missstand – die Widersprüchlichkeit des „American Dream“. Sicherlich treibt Luhrmann die Dekadenz der New Yorker Upper Class der 20er Jahre szenisch und musikalisch auf die Spitze, aber genau hierdurch zeigt sich die grenzenlose Maßlosigkeit dieser Gesellschaftsschicht zu dieser Zeit, wie ich finde. Die Charaktere wirken surreal und wie aus einer anderen Welt – kaum des realistischen Denkens fähig, eingenommen von sich und dem Konsum. Tiefgründige Dialoge wären daher eher fehl am Platz. Nachdenklich macht der Film dennoch oder grade deswegen. Was sich damals in der Welt der High Society niemand auszusprechen traute, bleibt auch im Film unausgesprochen. Große Diskussionen über Sinn und Unsinn der Liebe sowie das Eingestehen von Fehlern oder gar Problemen waren unschicklich und unerwünscht. Die glitzernde Fassade sollte bitteschön glitzern bleiben! Ehebrüche ruinierten den Ruf unwiederbringlich. Zwar gibt sich das reiche Mädchen Daisy (Carey Mulligan), gefühlsbetont und zerbrechlich – was bleibt ist allerdings der Eindruck eines verwöhnten „It-Girls“, dem es ohne Tränen und übertriebenen Weltschmerz schnell langweilig werden würde. Das Hin- und Hergerissensein zwischen ihrem wohlhabenden Mann Tom Buchanan (Joel Edgerton) und ihrer verflossenen, einst mittellosen und nach Jahren plötzlich wieder auftauchenden Liebe Jay Gatsby (Leonardo DiCaprio) scheint ihr daher gerade gelegen zu kommen. Aber für sie ist das Ganze nur ein Spiel. Für Gatsby hingegen keines. Es scheint so, als wäre Daisy seine große Liebe. Immer wiederkehrende Rückblicke zeigen dies deutlich. Oder ist sie für ihn nur das fleischgewordene Symbol einer „besseren“ Welt, zu der er aufgrund seiner Herkunft nie dazu gehört hat und es trotz schwer errungenem Reichtums auch nie wird, weil er nicht über blaues Blut verfügt? Diese Frage stellt man sich, kann sie allerdings spätestens nach dem durch Daisy verursachten Autounfall, den sich Gatsby ihr zu Liebe  auf seine Kappe schreibt, mit einem Nein beantworten. Die einzig wahre Liebe in diesem Film ist die Freundschaft zwischen Gatsby und Nick Carraway (Tobey Maguire). Letzterer muss ansehen, wie sein Freund ins Verderben rennt. Seine Erzählung über den großen Gatsby schließt er sowohl im Buch als auch im Film mit folgenden legendären Worten:

„Gatsby glaubte an das grüne Licht, an die wundervolle Zukunft, die Jahr für Jahr vor uns zurückweicht. Damals entwischte sie uns, aber was machte das schon? Morgen laufen wir schneller, strecken die Arme weiter aus und einen schönen Tages, so kämpfen wir weiter, wie Boote gegen den Strom. Und unablässig treibt es uns zurück in die Vergangenheit.“

Die DVD enthält drei nicht verwendete Szenen, inclusive eines alternativen Endes mit Gatsbys Vater und einem zufälligen Wiedertreffen von Nick und Tom. Die Sprachen sind Englisch und Deutsch, wahlweise mit Untertiteln. Auch der Soundtrack von Baz Luhrmann, Anton Monsted und Jay-Z, bestehend aus Songadaptionen von Amy Winehouse oder U2, neuinterpretiert von Musikgrößen wie Jack White, Florence and the Machine, Fergie, will.i.am, Lana Del Ray etc. ist sehr zu empfehlen – für mich der beste Soundtrack des Jahres.   fg

Der-grosse-Gatsby_2013_dvd_cover

AUS/USA 2013

Verleiher: Warner Bros. GmbH

Regie: Baz Luhrmann

Schauspieler: Leonardo DiCaprio, Tobey Maguire, Carey Mulligan, Isla Fisher, Joel Edgerton

Laufzeit: ca. 137 Min.

Genre: Drama

DVD-/Blu-ray-Erscheinungsdatum: 20.09.2013