Heute gibt es zur Abwechslung mal etwas ganz anderes: den ersten Beitrag zu unserer neuen Unterkategorie „Darf ich vorstellen…“. Zu gegebenen Anlässen werden wir euch ab sofort immer mal wieder interessante Persönlichkeiten aus der Welt des Films oder der Literatur vorstellen. Beginnen möchte ich heute mit dem Star einer vergangenen Filmära.
Nur so zum Spaß habe ich neulich mal recherchiert, wer, außer meiner Wenigkeit, noch alles am 19. Februar geboren wurde. In der Tat habe ich dazu einige mehr oder weniger bekannte Herrschaften ausfindig gemacht, vor allem jede Menge Physik, Mathe- und Chemie-Nobelpreisträger, was mich ziemlich erschaudern ließ, weil ich mit Naturwissenschaften noch nie viel am Hut hatte. Tatsächlich habe ich aber auch ein paar interessante Menschen aus der Kunst-, Literatur- und Filmbranche gefunden und mich entschlossen, euch einen davon mal etwas genauer vorzustellen: und zwar Oscarpreisträger und Western-Star Lee Marvin. Letzte Woche wäre er 90 Jahre alt geworden († 29. August 1987 in Tucson, Arizona). Und da in zwei Tagen die diesjährigen Acadamy Awards verliehen werden, ist es doch mal spannend, ein paar Jahrzehnte zurückzublicken, als es 1966 hieß: „And the Oscar goes to… Lee Marvin!“ Also liebe Film- und Wild-West-Fans, aufgepasst und Ohren gespitzt… oder besser: Äuglein geschärft!
Ein kurzes Porträt
Heute kennt man ihn wohl kaum mehr – den eher untypischen Hollywoodstar, der sich nie richtig mit der Glitzerwelt identifizieren konnte und dort auch nicht so recht hineinpasste. Dennoch wurde Lee Marvin vor allem in den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts als Filmschurke und Anti-Held verehrt und gefeiert. An seiner Seite standen u. a. Stars wie Marlon Brando (Der Wilde, 1953), James Stewart (Der Mann, der Liberty Valance erschoss, 1962), John Wayne (Die Hafenkneipe von Tahiti, 1963) Vivian Leigh und Heinz Rühmann (Das Narrenschiff, 1965), Burt Lancaster (Die gefürchteten Vier, 1966), Donald Sutherland (Das dreckige Dutzend, 1967) Clint Eastwood (Vorwärts zieht der Wind, 1969) und zu guter Letzt sogar der unglaubliche Chuck Norris (Delta Force, 1986)
Doch zunächst erst einmal ein paar Worte zu seiner Person: Geboren wurde er am 19. Februar 1924 im wunderschönen New York City. Marvins Vorfahren waren prominenter Natur, ist er doch in einer Linie mit Thomas Jefferson, George Washington und Ross G. Martin, einem bekannten Nordpol-Forscher, verwandt – um nur mal einige zu nennen. Er selbst machte sich zunächst vor allem bei den Marines einen Namen, nachdem er im Zweiten Weltkrieg als einer der wenigen aus der Schlacht um Saipan schwer verletzt zurückkehrte. Für diese Verdienste erhielt er die Purple Heart-Medaille. Dass er mal sein Glück in der Schauspielkunst finden würde, ist wohl eher einem Zufall zu verdanken. Während seiner Lehre zum Klempner erledigte er einen Auftrag am heimischen Gemeinschaftstheater. Dort reparierte er eine verstopfte Toilette, als man ihn kurzerhand darum bat, für einen erkrankten Schauspieler einzuspringen. An diesem Tag leckte Marvin Blut und entdeckte seine Liebe zur Schauspielerei. 1947 feierte er schließlich sein Broadway-Debüt im Biltmore Theatre in New York und fand ab 1950 auch in Hollywood erste kleinere Engagements. Aufgrund seiner unerschütterlichen und steinernen Ausstrahlung wurde er zumeist für vermeintlich „harte“ Rollen, wie die eines Soldaten, Veterans oder Schurken besetzt. In den 50ern spielte er etliche Nebenrollen in diversen Kriegsdramen (u.a. You’re in the Navy Now, 1951 und Eight Iron Men, 1952). Auch trat er in zahlreichen TV-Serien auf – seinen größten Erfolg feierte er Ende der 50er Jahre in der Serie M Squad (Dezernat „M“, ZDF-Ausstrahlung ab 1966) als Lieutenant Frank Ballinger. Im Laufe der Zeit nahm seine Popularität jedoch mehr und mehr ab, wohl nicht zuletzt deswegen, weil er vielversprechende Rollen wie z.B. die des Quint in Der weiße Hai von Steven Spielberg ablehnte. Auch die Rolle des General George S. Patton Jr. in Patton – Rebell in Uniform (Originaltitel: Patton, 1970), für die George C. Scott schließlich den Oscar einheimste, wies er zurück – jedoch aus ehrbaren Gründen, war er doch strikt gegen die Verherrlichung von Krieg. Nicht nur das ist zu würdigen, sondern auch die Tatsache, dass Marvin Zeit seines Lebens für die Rechte der Schwulen und Lesben eintrat.
Cat Ballou und der Durchbruch zum gefeierten Hollywoodstar
Den Durchbruch in Hollywood schaffte Lee Marvin recht unverhofft mit dem Western-Musical Cat Ballou – Hängen sollst du in Wyoming (Originaltitel: Cat Ballou, 1965), für den er ein Jahr später überraschenderweise mit dem Oscar als bester Schauspieler ausgezeichnet wurde – bis heute der einzige Oscar für eine Filmdoppelrolle. In der charmanten Komödie über die angehende Lehrerin Catherine „Cat“ Ballou (Jane Fonda), die den fremd verschuldeten Tod des Vaters Frankie Ballou (John Marley) mit einer Bande aus semiprofessionellen, aber dafür sehr liebenswerten Schurken rächen will, spielt Marvin sowohl die Rolle des trinksüchtigen Revolverhelden Kid Shelleen als auch dessen Bruders, Rivalen und Auftragskillers Tim Strawn – der Mann mit der (unglaublich komischen) Silbernase (jeder Jeck würde sich wohl derzeit darüber freuen). Cat Ballou – Hängen sollst du in Wyoming ist eine gelungene Western-Parodie mit großer Charmeoffensive und durchweg sympathischen Schauspielern. Gerne schaut man dabei zu, wie sich Regisseur Elliot Silverstein gängiger Klischees und Western-Elemente auf eine Weise bedient, die nicht abwertend, sondern eher wohlwollend zu begreifen und mit einem Augenzwinkern versehen sind. Nicht zuletzt Lee Marvin trägt dazu einen erheblichen Teil bei, denn als jemand, der dem Alkohol auch privat nicht abgeneigt war, nimmt er hier nicht nur die für den klassischen Western typische Saufkultur, sondern auch sich selbst aufs Korn und spielt beide Rollen grandios amüsant. Besonders witzig und ohrwurmverdächtig sind neben den Soundeffekten à la Lucky Luke auch die Lieder der Bänkelsänger Nat King Cole und Stubby Kaye, die die Geschichte von Anfang bis Ende erzählen und begleiten. Schön ist auch, dass wir Nat King Cole hier noch einmal lauschen dürfen, denn im selben Jahr, in dem der Streifen auf die Leinwand kam, verstarb der begnadete Jazz-Pianist und Sänger mit nur 46 Jahren an Lungenkrebs. Ein Grund mehr, sich dieses Western-Schätzchen mal zu Gemüte zu führen und sich in eine Welt mit Cowboys, Indianern und allem, was noch so dazu gehört nach Wolf City und Poker Village zu träumen. fg