„Fuuuuuuck!“

All is Lost

all-is-lost-9_article„Liebe das Leben, entscheide dich dafür und wirf, um Gottes Willen, niemals die Flinte ins Korn!“ – Die Welt des Films scheint Anfang 2014 unter genau diesem Motto zu stehen, denn nach Das erstaunliche Leben des Walter Mitty schließt sich nun auch All is Lost diesem fabulösen Filmreigen an. Natürlich mit einigen Unterschieden, trifft es „Unseren Mann“ (Robert Redford), wie der erfahrene und unerschütterliche Einhandsegler ohne Namen im Abspann genannt wird, doch mehr als nur ein wenig härter als Walter Mitty, um nicht zu sagen eklatant härter, denn für ihn geht es buchstäblich um Leben und Tod.

Wasser rauscht. Leise hört man, wie sich irgendwo kleine Wellen brechen. Doch da ist noch etwas, ein Schaben, ein Donnern eines Gegenstandes gegen einen anderen. Ein Mann erwacht in einer Bootskajüte aus dem Schlaf und sieht das Unheil: Ein in der Hochsee treibender Schiffscontainer ist mit seiner Segelyacht kollidiert und hat Backboard ein ordentliches Loch hinterlassen. Mit einiger Kraft und Mühe gelingt es ihm, sich vom feststeckenden Container zu befreien und das bereits eingetretene, nicht wenige Wasser per Hand abzupumpen. Auch das klaffende Loch im Schiffsrumpf bekommt er mit viel Kleister und Segeltuch so einigermaßen wieder geflickt, die Bordelektronik jedoch ist nicht mehr zu retten, was das Navigieren und vor allem das Absetzen eines Notrufes ziemlich unmöglich macht. Nun heißt es, einen kühlen Kopf zu bewahren und das Beste aus der Situation zu machen, was dem gleichmütigen Skipper auch während und nach einem heftigen, kaum zu beherrschenden Unwetter immernoch erstaunlich gut gelingt. Das Schiff oder das, was davon noch übrig ist, ist nun aber endgültig und wortwörtlich dem Untergang geweiht und muss geräumt werden. Mit einem Wasserkanister, den letzten Nahrungsrationen und einem altmodischen Handnavigator, mit dem er sich vorher noch nie ernsthaft beschäftigt hat, treibt er schließlich tagelang, mehr schlecht als recht, auf einer Rettungsinsel über die mächtige See. Die Reise wird zu einem Psychotrip, der sich von der ältesten und existenziellsten aller menschlichen Emotionen nährt – dem Willen zu überleben und damit auch der immer leiser werdenden Hoffnung, das doch noch Hilfe kommt.

All is Lost ist in vielerlei Hinsicht ein besonderes Kinoerlebnis. Schon die Liste der Darsteller liest sich ziemlich kurz – noch nie habe ich es erlebt, dass ein Film über die gesamte Spielzeit mit nur einem einzigen Protagonisten auskommt und trotzdem an keiner Stelle langweilt. Auch die gesprochene Sprache beschränkt sich auf nur wenige Minuten (wenn überhaupt), so z.B. auf den Versuch, mit der ledierten Elektronik einen Notruf abzusetzen oder auf ein paar wenige Fäkalausrufe, unter anderem auf das prägnante „Fuuuuuuck!“ gegen Ende des Films, das mehr als gerechtfertigt ist. Wie realistisch es ist, dass ein Mensch in solch einer Situation nicht doch irgendwann einmal beginnt, mit sich selbst zu reden, sei zwar dahin gestellt, aber die fehlende Sprache empfinde ich keineswegs als Manko. Im Gegenteil, der Film – oder besser: das Kammerspiel – hätte mit dem Einsatz von Monologen niemals eine solche Brillanz erreicht, denn erst die völlige Stille (die Nebengeräusche mal ausgenommen) erzeugt diese, für den Film so wichtige Beklemmung. Der Zuschauer versteht dadurch umso mehr, wie es sich anfühlen muss, tagelang völlig allein auf offenem Meer zu treiben. Auch der Soundtrack, wenn man von einem solchen überhaupt sprechen kann, ist mehr als zurückgenommen und das ist auch gut so. Des obligatorischen Streichorchesters bedarf es kaum. Was beim Ton eingespart wird, zeigt sich mit geballter Kamera- und Animationskraft in den klaren, unverfälschten Bildern und nicht zuletzt in der beeindruckenden Schauspielkunst des mittlerweile fast 80jährigen (!) Robert Redfords, den ich nie überzeugender erlebt habe. Nicht nur in puncto Schauspiel und Dramaturgie setzt der Film einen Akzent im sonst eher mainstreamen Hollywoodkino, auch der Schluss enstpricht nicht den gängigen Konventionen, denn der Zuschauer darf sich auf wunderbare Weise schließlich selbst aussuchen, ob die Hoffnung zu Leben siegt oder nicht.

Nach Cast Away – Verschollen (Originaltitel: Cast Away, 2000) mit Schauspiellegende Tom Hanks in der Hauptrolle ist All is Lost der erste Survival-Film, der es unbedingt wert ist, gesehen zu werden!

all-is-lost-posterUSA 2013

Produktion: Before The Door Pictures

Regie: J. C. Chandor

Schauspieler: Robert Redford

Lief an am: 09.01.2014

Genre: Abenteuer, Drama

Laufzeit: 106 Min.

0 Antworten auf „„Fuuuuuuck!““

  1. Der erste nach „Cast Away“? Mir fällt da spontan noch „127 Stunden“ ein, vielleicht auch noch „Buried“ oder „Open Water“. Oder gelten die nicht ganz als „Survival-Filme“?

    1. Doch klar, sind auch Survival-Filme und es gibt auch noch etliche andere. Aber an „All is Lost“ (bzw. „Cast Away“) kommen die alle nicht ran. Heißt natürlich nicht, dass die anderen alle Schrott sind (besonders „127 Stunden“ nicht), aber wie gesagt, ist halt der erste, den ich persönlich (!) als UNBEDINGT sehenswert erachte. „Open Water“ läuft ja nach demselben Schema wie schon tausend andere (wie z.B. auch „Sanctum“) und ist deshalb gar kein Vergleich.

      1. „127 Stunden“ finde ich glaub ich besser als „Cast Away“, „Buried“ halte ich auch für sehenswert. „Open Water“ ist wohl irgendwie sowas wie Horror-Survival-Thriller 😉
        Wobei mir jetzt natürlich der Vergleich mit „All Is Lost“ fehlt – der mich nur leider zumindest anhand des Trailers nicht wirklich ins Kino zieht. Aber anhand deiner Kritik könnte ich mir das ja noch mal überlegen…

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