Ein Stück Kinogeschichte

Filmtheater Weltspiegel Cottbus

Foto © Franziska Gurk
Foto © Franziska Gurk

Mitten in der Lausitz, im Herzen von Cottbus gelegen, steht der zweitälteste reine Kinozweckbau Deutschlands – eine einzigartige Symbiose aus Jugendstil und Moderne. Über 100 Jahre prägt der eindrucksvolle Bau des Architekten Paul Thiel nun schon die Cottbuser Innenstadt, Ecke Breitscheid-Straße/Roßstraße, wenn auch nicht durchgängig Filme gezeigt wurden. Heute wie damals beeindruckt das Filmtheater vor allem durch seine konvexe Schaufassade, die durch einen Mittelrisalit mit thronender Attika und Schriftzug, Jugendstil-Elemente an den Pilastern und dem Traufgesims sowie zwei einladende und kassettierte Rundbogenportale gekennzeichnet ist. Für mich ist der Weltspiegel naturgemäß das schönste aller Kinos – nicht nur in der Region, sondern weit darüber hinaus. Wann immer ich kann und gerade mal wieder für ein paar Tage in der Heimat bin, fahre ich nach Cottbus in den Weltspiegel, weil es ein ganz anderes Gefühl ist, in diesen ehrwürdigen alten Hallen dem Cineasmus zu frönen als in einem nichtssagenden Multiplex.

Nach einer einjährigen Sanierungsphase öffnete das Lichtspielhaus noch vor seinem 100. Geburtstag im Juni 2011 wieder seine Pforten und erstrahlt seitdem in neuem Glanz. Zum neuen Konzept gehören die Restaurierung und Wiederherstellung der alten Fassade, des großen Saals und des Treppenhauses sowie die Neugestaltung des Foyers. Zudem wurde das Kino durch einen neuen Anbau in moderner Formensprache erweitert, der Platz für 2 weitere Kinosäle, ein Kinocafé und eine neue Sanitäranlage bietet. Obendrein gibt es eine Sommerdachterrasse, auf der man bei einem Käffchen wunderbar den Blick über die Stadt schweifen lassen kann.

Fotos © Franziska Gurk
Fotos © Franziska Gurk

Der große Saal bildet noch immer das Kernstück des gesamten Gebäudes. Im vergangenen Jahrhundert mehrmals umgestaltet, wurde er 2010/11 wieder in den Zustand der 1920er-Jahre zurückversetzt. Dazu war vor allem eine umfangreiche Restaurierung der Kassettendecke erforderlich. Die zwei obersten Farbfassungen, ein weißer und ein darunter liegender pastellgrüner Anstrich, wurden mühevoll entfernt, um die Goldbronze-Fassung aus den 20ern und mit ihr die ornamentale Art-déco-Gestaltung wieder aufleben zu lassen. Außerdem lässt sich das Teleskoppodest mit den nunmehr neu aufgearbeiteten Kinositzen einfahren, sodass der Raum auch für Tanzveranstaltungen o.ä. genutzt werden kann.

Fotos © Franziska Gurk
Fotos © Franziska Gurk

Der Altbau und der über Eck angebaute Neubau harmonieren für meinen Geschmack sehr gut miteinander. Es ist besonders das  Zusammenspiel von Alt und Neu, was den Weltspiegel so reizvoll macht. Diese gelungene Symbiose ist vor allem dem Stuttgarter Jungarchitekten Alexander Fehre zu verdanken, der für die gesamte Innengestaltung des Filmtheaters verantwortlich ist. Dabei stehen die warmen Töne des alten Baubestandes im Kontrast zu den kühlen Tönen des Neubaus. Die Verbindung beider Gebäudeteile schafft der edle, metamorphe Teppichboden, die Verwendung gleicher Materialien und Formen und ein durchdachtes Lichtkonzept. All die Mühen wurden 2012 schließlich mit dem Denkmalpflegerpreis des Landes Brandenburg gewürdigt. Getreu dem Motto „Die Mischung macht’s“, ist auch der Spielplan gestaltet. Gezeigt werden sowohl ausgewählte Arthouse- und Independentfilme als auch die großen Blockbuster.

© Franziska Gurk
Fotos © Franziska Gurk

Das „Kino-Experiment“ scheint gelungen zu sein und auch bei den Besuchern anzukommen. Viele Kinogänger, mich eingeschlossen, schätzen die besondere Atmosphäre des Weltspiegels, aber vielleicht sind es immer noch nicht genug. Denn im Oktober dieses Jahres musste der Kinobetreiber frühzeitig Insolvenz anmelden. Dieser versicherte aber unlängst, dass der Kinobetrieb bis auf Weiteres gesichert ist und sich für die Besucher nichts ändern wird. Hoffen wir, dass er Recht behalten und die Finanzsanierung schnell Früchte tragen wird. Es wäre doch mehr als nur schade um dieses gelungen sanierte, geschichtsträchtige Gebäude. Ich müsste sicherlich ein oder zwei Tränchen verdrücken.   fg

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Quelle: baunetzwissen.de

7 Antworten auf „Ein Stück Kinogeschichte“

  1. Wow – sehr interessant, sehr schöne Fotos, sehr gut geschrieben. Scheint ein tolles Kino zu sein. Ich bin noch nie da gewesen, ja nicht Mal auf die Idee gekommen, weil mir Cottbus immer zu weit weg war und ich gar nicht wusste, dass es dieses Kino in Cottbus gibt. Aber das ist schon ein einzigartiges Ambiente zum Filme gucken – Jugendstilbauten finde ich sowieso unglaublich schön.
    Das lustige ist, dass bei uns um die Ecke auch ein Kino namens Weltspiegel ist. In Finsterwalde. Das ist allerdings alles andere als Jugendstil. Aber jetzt habe ich so eine Idee wo der Name herkommt…

    1. Ja, den Finsterwalder Weltspiegel kenne ich auch 🙂 Stimmt, die heißen gleich, aber sind nicht vergleichbar.
      Na ja, von mir bzw. meinen Eltern sind es nur knappe 35/40 Minuten Fahrt und irgendwie vergeht die Zeit schnell, weil ich die Strecke in und auswendig kenne. Aber klar, für dich isses nochmal was länger.
      Das Kino ist wirklich genial, bin da sehr gerne. Ich bin drauf gekommen, weil ich mal von der Denkmalpflege aus dort zum Termin war und außerdem hat meine ehem. Chefin die Decke restauriert. Vorher war’s mir auch kaum ein Begriff. Wobei Cottbus ja generell sehr viele und schöne Jugendstilbauten hat. Das denken immer viele gar nicht.
      Also lohnt sich auf jeden Fall, da mal hinzufahren. 🙂

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