Wie gut, dass niemand weiss, dass ich Rumpelstilzchen heiß…

John Katzenbach – Der Patient

katzenbach-der-patientDer New Yorker Psychoanalytiker Dr. Frederick Starks führt ein ruhiges Leben in geregelten Bahnen. Das ändert sich am Abend seines 53. Geburtstages, als in seiner Praxis ein Brief mit der Überschrift „Willkommen am ersten Tag Ihres Todes“ auf ihn wartet. Ein sogenannter „Rumpelstilzchen“ fordert in darin zu einem grausamen Spiel auf. 15 Tage bleiben Frederick Starks nun Zeit, um herauszufinden, wer sich hinter diesem Pseudonym verbirgt. Gelingt es ihm nicht, wird ein Familienmitglied von Starks ermordet, es sei denn, der Psychiater opfert sein eigenes Leben. Starks glaubt zunächst an einen üblen Scherz, wird aber aufgrund einiger mysteriöser Vorfälle schnell eines Besseren belehrt..

Katzenbach verzichtet auf eine lange Einleitung und kommt relativ schnell zur Sache. Schon bald befindet sicher der Leser zusammen mit Dr. Starks auf einer Art grotesken Schnitzeljagd. Es gilt jeglichen vorhandenen Anhaltspunkten nachzugehen, um des Rätsels Lösung Stück für Stück näher zu kommen. Der erste Teil des Buches besticht durch bizarre Figuren und überraschende Wendungen, wobei die Erzählweise beinahe kafkaeske Züge annimmt. Der zweite Teil steht dazu im harten Kontrast, ist er doch wesentlich actionreicher geraten. Mit Dr. Starks hat Katzenbach durchaus einen interessanten Helden geschaffen: ein normaler Mann in einer absolut unnormalen Situation, der im Laufe der Handlung eine Gratwanderung durchlebt. Starks scheint nach einer anfänglichen Schockstarre regelrecht aufzublühen. Er lernt, seine Fähigkeiten als Psychoanalytiker zu nutzten und als Waffe zu verwenden, sodass er schon bald seinem Feind ebenbürtig gegenübertreten kann.

Interessant sind die Motive des Romans – so werden grundlegende Fragen aufgegriffen, denen sich die Menschheit immer wieder stellen muss. Es geht um Unrecht und Gerechtigkeit, Schuld und Sühne, Gut und Böse. Befriedigende Antworten findet man in Der Patient nicht, dennoch ist Katzenbach ein spannender Psychothriller gelungen.  sk

Verlag: Knaur Taschenbuch

Erscheinungsjahr: 2006

668 Seiten

ISBN 978-3-426-62984-0

10,99 €

Was sich liebt, das neckt sich

Gillian Flynn: Gone  Girl – Das perfekte Opfer

71kHLBvRV6L._SL1500_Gone Girl – Das perfekte Opfer von Gillian Flynn gehört zu den Megabestsellern der letzten Jahre. Kein Wunder, dass Hollywood sich sogleich die Rechte an dem Stoff gesichert hat. Nun ist die Verfilmung von David Fincher mit Ben Affleck und Rosamund Pike in den Hauptrollen bereits in den deutschen Kinos gestartet, doch bevor wir uns der Kinoversion widmen, gibt es  bei uns erstmal die Rezension zum Buch.

Wie gut kennt man eigentlich den Menschen, den man liebt? Diese Frage stellt sich Nick Dunne am Morgen seines fünften Hochzeitstages, dem Tag, an dem seine wundervolle Frau Amy verschwindet. Alle Indizien weisen auf ein schreckliches Verbrechen hin. Im Laufe der Ermittlungen wird klar, dass Nick und Amy nicht so perfekt sind wie alle dachten. In Wirklichkeit haben Nick und Amy schon seit Jahren ernsthafte Eheprobleme. Zu glücklicheren Zeiten arbeiteten die beiden als Journalisten in Manhattan, doch durch die Wirtschaftskrise verloren beide kurz nacheinander ihre Jobs und jegliche Perspektiven. Kurzentschlossen zogen die beiden in Nicks Heimatstadt, um seine krebskranke Mutter zu versorgen. Während Nick mit seiner Schwester eine Bar eröffnete, wusste Amy jedoch wenig mit ihrem neuen Leben in der Provinz anzufangen. Heftige Streitereien gehörten von nun an zur Tagesordnung. Nach Amys Verschwinden stellt die ganze Stadt Nick an den Pranger, doch der schwört, dass er nichts getan hat…

Gillian Flynns bislang erfolgreichster Roman beginnt als eine Art Psychogramm einer gewöhnlichen Ehe. Ein Ehepaar lebt sich auseinander und versucht sich mit der Situation so gut es geht zu arrangieren. Dabei werden ganz alltägliche Beziehungsprobleme beleuchtet. Doch je mehr man über die beiden Charaktere erfährt, desto deutlicher wird, dass hier absolut nichts normal läuft. Immer tiefer gerät man in einen Sog aus Lügen und Intrigen, die tiefste menschliche Abgründe offenbaren. Wem kann man glauben und wer lügt? Sobald man sich eine Meinung gebildet hat, muss man diese im nächsten Kapitel auch schon wieder revidieren. Gone Girl ist sicher kein typischer Vertreter des Thriller-Genres und der Roman braucht auch eine Weile, bis er so richtig in Fahrt kommt, dennoch sollte man dieses Buch nicht zur Seite legen und sich darauf einlassen. Die Belohnung ist exzellente Unterhaltung und Humor von der schwarzesten Sorte.   sk

Verlag: Scherz
Erscheinungsjahr: 2012
576 Seiten
ISBN 978-3-502-10222-9
16,99 €