Alfons Zitterbacke lässt grüßen!

BEN. – Oliver Scherz

IMG_6641 Der Kontrast zur letzten Kritik könnte nicht größer sein, denn heute gibt es mal etwas ganz anderes, etwas noch nie Dagewesenes^^ – eine Kinderbuchkritik. Es wird immer kälter, der November neigt sich leise dem Ende zu und es beginnt so langsam aber sicher zu „weihnachten“ (ohne Panik verbreiten zu wollen). Also habe ich mich allmählich auf die Suche nach schönen Geschenken für die Lieben begeben. Am allerliebsten verschenke ich, wie sollte es anders sein, Bücher oder Filme. Kindern allerdings lieber Bücher, denn erstens gibt es sooo viele tolle Kinderbücher und zweitens ist vorgelesen bekommen im zarten Kindergartenalter noch viel toller als Filme gucken. Für meinen Neffen sollte es (neben Lego – auch das rockt wahrscheinlich in hundert Jahren noch. Ach, klein müsste man nochmal sein!) also zudem ein schön gestaltetes, liebevoll geschriebenes, aber natürlich auch cooles Vorlesebuch sein. Und ich bin fündig geworden.

Unter all den vielen Büchern bin ich auf BEN. von dem Berliner Kinderbuchautor und Multitalent Oliver Scherz gestoßen. Ben ist circa sechs Jahre alt, denn bald – so erzählt er – kommt er in die Schule. Bis dahin erlebt er allerdings noch allerhand Aufregendes, an dem er die Leser und kleinen Zuhörer teilhaben lässt. Bei all seinen Abenteuern wird er von der Wasserschildkröte Herrn Sowa begleitet, die er im Zoogeschäft „freigekauft“ hat. In zehn Kapiteln erzählt er auf wirklich witzige Art und Weise, wie er anlässlich von Herrn Sowas Geburtstag eine Badewannenparty organisiert, die in einer Überschwemmung endet; von den neuen Nachbarsmädchen, die gar nicht so doof sind, wie Bruder Alex gedacht hat; von dem Versuch, Herrn Sowa endlich mehr Schnelligkeit beizubringen, um den Mädchen imponieren zu können, der aber ordentlich nach hinten losgeht; von seiner ersten Übernachtung alleine bei Oma und Opa, die er zwar sehr lieb hat, aber abends im Bett trotzdem so schreckliches Heimweh nach Mama und Papa bekommt, dass er seinen Rucksack packt und beschließt, sofort nach Hause zu gehen…von all dem und noch vielem mehr.

IMG_6617BEN. ist ein sehr warmherzig geschriebenes Buch für alle kleinen abenteuerbegierigen Mädchen und Jungen ab fünf Jahren. Mir gefällt das Buch sehr gut, nicht zuletzt, weil es mich ein bisschen an Alfons Zitterbacke erinnert – ein absoluter Kinderbuchklassiker und damals eines meiner Lieblingsbücher. Abenteuer, Streiche, kindliche Unbefangenheit – nur richtet sich BEN. an ein jüngeres Publikum und der gleichnamige Protagonist ist auch nicht ganz so ein Rabauke und Tollpatsch wie Alfons. Die Sprache ist kindgerecht, aber bringt auch den Erwachsenen zum Schmunzeln. Von seinen Erlebnissen berichtet Ben im Präsens, so als würde all das gerade in diesem Moment passieren, was die Spannung erhöht. Ich habe das Buch probehalber laut gelesen und das hat wirklich Spaß gemacht. Der Lesestoff reicht aus, um mehrere Ins-Bett-Geh-Abende damit zu füllen. Alles in allem ist BEN. ein brandneu erschienenes, sehr gelungenes und liebevoll illustriertes Vorlesebuch, das ich (als Weihnachtsgeschenk) unbedingt empfehlen kann und an dem alle Beteiligten ihre Freude haben werden – findet auch mein Sofakrümelmonster.   fg

Verlag: Thienemann
Erscheinungsjahr: 2013
103 Seiten
ISBN: 978-3-522-18360-4

Angst, wo bist du?

Blick in die Angst – Chevy Stevens

IMG_6463Meine Freude war groß, als ich Anfang September endlich Chevy Stevens dritten Thriller „Blick in die Angst“ im Regal der Buchhandlung stehen sah. Da ich „Still Missing – Kein Entkommen“ und „Never Knowing – Endlose Angst“ bereits mein Eigen nennen darf und beide Bücher für gut bis sehr gut befunden habe, habe ich nicht lange gefackelt und ihren neuesten Schmöker mit zur Kasse genommen. Zu Hause habe ich mich dann gleich drüber hergemacht, die Freude hielt allerdings nur die ersten paar Seiten an. Zäh wie ein Kaugummi leitet die Hauptfigur Dr. Nadine Lavoie – Psychaterin im Krankenhaus von Victoria auf Vancouver Island (diesmal steht sie selbst im Mittelpunkt des Geschehens) – in die Geschichte ein. Diese „Einleitung“ zieht sich bis über die Hälfte des Buches. Bis dahin passiert mehr oder weniger gar nichts. Der Leser erfährt von Nadines Kindheit in einer als Hippies getarnten Sekte, mit der sich die Ärztin durch eine Patientin nach langer Zeit wieder konfrontiert sieht. Stückchenweise treten immer mehr unangenehme Erinnerungen an jene Zeit zu Tage, die sie bis dahin verdrängt hatte. Allmählich erklärt sich auch die Klaustrophobie, an der die Psychaterin seit Jahrzehnten  leidet. Nach gefühlten 300 Seiten beginnt Nadine, ihre Überlegungen, der Sekte den Garaus zu machen, in die Tat umzusetzten. Man könnte denken, die Geschichte gewinnt nun an Fahrt – weit gefehlt. Chevy Stevens gelingt es diesmal so gar nicht, irgendeine Art von Spannung aufzubauen. Nadine fährt überall auf Vancouver Island umher, befragt Fremde und alte Bekannte, sammelt Beweise gegen die Sektenführer, schildert vor allem aber die schöne Landschaft. Nebenbei ist sie auch immer wieder auf der Suche nach ihrer drogenabhängigen Tochter, die nach dem Tod des Vaters völlig auf die schiefe Bahn geraten ist und die meiste Zeit auf der Straße verbringt. Diese und andere Beziehungen werden eingehend analysiert und langweilen ungemein, weil vieles davon gänzlich irrelevant ist und von der eigentlichen Geschichte ablenkt.

Chevy Stevens dritter Thriller ist alles, nur eben kein Thriller. Auf die Spannung wartet man bis zum Schluss und Angst verspürt man nahezu an keiner Stelle des Buches. Vielmehr erwarten den Leser schöne Landschaftsporträts und eine Reihe von Psychogrammen verschiedenster Charaktere und Biographien. Probleme über Probleme werden gewälzt: Kindesmissbrauch, Sektenproblematik, Mord und Todschlag, Drogenabhängikeit, verstorbene Lebenspartner und, last but not least, schlechte Kindheiten – die Autorin hat all das in nur ein Buch gepackt. Man müsste meinen, bei so viel Abgründigem müsste es doch ein Leichtes sein, einen guten Thriller zu schreiben. Aber gerade das scheint hier das Problem zu sein: Das Spektrum an menschlichen Grausamkeiten ist viel zu groß und lässt die Story konstruiert und unglaubwürdig erscheinen. Die sehr flach gehaltene Spannungskurve und das viele Geplänkel drumherum tun ihr übriges. Nicht zuletzt fehlt es vor allem der Hauptfigur an Charakter. So manches Mal hätte ich die viel zu gutmütige und naive Nadine am liebsten mal durchgeschüttelt und ihr befohlen, endlich aufzuwachen.

Man ahnt es schon, ich kann „Blick in die Angst“ nicht weiterempfehlen. Es tut mir fast Leid, das schreiben zu müssen. Vor allem den Chevy-Stevens-Einsteigern rate ich, nicht mit diesem Buch zu beginnen. Oder vielleicht doch? War meine Erwartungshaltung nach den ersten zwei Büchern vielleicht so hoch, dass ich nur noch enttäuscht werden konnte? Wenn dem so wäre, müsste ich als Einstiegslektüre wohl doch dazu raten. Oder ihr lasst das das dritte Buch einfach aus, dann seid ihr auf der sicheren Seite.^^   fg

Verlag: FISCHER Taschenbuch
Erscheinungsjahr: 2013
488 Seiten
ISBN: 978-3-596-19379-0
9,99 €