Die wilden 70er

 

American Hustle

american-hustle-06American Hustle begeistert mit einem beeindruckenden Staraufgebot, denn Regisseur David O. Russel hat sich neben Christian Bale und Amy Adams aus seinem preisgekrönten Drama The Fighter auch seine Silver Lining – Stars Jennifer Lawrence und Bradley Cooper wieder mit ins Boot geholt. Zu diesem altbewährten Cast stoßen auch noch Jeremy Renner und Robert De Niro dazu – Grund genug, sich den Film anzusehen! Dazu kommt, dass der Film für ganze zehn Oscars nominiert ist, darunter auch für die wichtigsten Kategorien, die sogenannten „Big Five“. Dementsprechend groß waren auch meine Erwartungen. Nebenbei bemerkt, hatte ich das erste Mal die Gelegenheit mir einen Film im Deluxe Kino anzuschauen – Kino vom Feinsten mit elektrisch verstellbaren Sesseln, Bestellservice und extra viel Platz. Kann ich für besondere Anlässe nur empfehlen!

Ende der 1970er Jahre in New York: Der windige Geschäftsmann Irving Rosenfeld (Christian Bale) hat sich mit Kreditbetrug ein kleines Vermögen angehäuft, womit er seiner exzentrischen Frau Rosalyn (Jennifer Lawrence) und seinem Adoptivsohn ein unbeschwertes Leben ermöglicht. Da er seine Grenzen kennt und die Geschäfte im Rahmen hält, ist er noch nicht in Konflikt mit dem Gesetz geraten, was sich allerdings ändert, als Sydney Prosser (Amy Adams) seine Geliebte und „Geschäftspartnerin“ wird. Durch ihre Unachtsamkeit kommt den beiden FBI-Agent Richie DiMaso (Bradley Cooper) auf die Schliche und schlägt ihnen einen Deal vor: Wenn Irving und Sydney ihm helfen, korrupte Politiker zu schnappen, können sie mit milderen Umständen rechnen. Doch schon bald wächst Irving die ganze Sache über den Kopf, denn nicht nur seine Frau sorgt immer wieder für Ärger, sondern auch die Mafia mischt kräftig mit.

american-bullshit-8David O. Russel holt aus seinem namhaften Cast das Beste raus. Alle hatten sichtlich Spaß daran, sich in die 70er Jahre-Outfits zu werfen und ordentlich loszulegen. American Hustle ist vor allem brillantes Schauspielkino mit überzeugendem Retrolook und groovigem Soundtrack. Die stärksten Szenen des Films sind die, in denen sich die Charaktere heftige Wortgefechte liefern, sei es wenn Rosalyn ihren sonst so abgebrühten Mann Irving mal wieder zur Schnecke macht oder Richie DiMaso seinen Vorgesetzten durchs Telefon anbrüllt. Solche Lacher bleiben selten, aber dennoch muss man bei den amüsanten Schwindeleien eigentlich ständig schmunzeln. Insgesamt bietet der Streifen dennoch weniger als erhofft und bleibt deutlich unter meinen Erwartungen. Die Story zieht sich zwischenzeitlich immer mal in die Länge, was bei einer Gesamtdauer von 134 Minuten nicht weiter verwunderlich ist. Etwas mehr Tempo an der ein oder anderen Stelle wäre nicht schlecht gewesen. Den größten Minuspunkt gibt es für das Ende des Films, das leider etwas unspektakulär ist. Deshalb bleibt es bei einem locker-leichten Schelmenstück, das unterhält, aber keine neuen Bahnen bricht. Bei der Oscarverleihung wird es American Hustle schwer haben, da die diesjährige Konkurrenz allzu stark ist. Vielleicht klappt es für einen der Nebendarsteller mit dem Goldjungen,  in der Kategorie Bester Film wird es jedoch ziemlich sicher nicht ausreichen.

Fazit: Amüsantes Popcornkino mit grandiosen Stars.   sk

USA 2014american-hustle-poster-dt

Regie: David O. Russel

Cast: Christian Bale, Amy Adams, Bradley Cooper, Jennifer Lawrence, Jeremy Renner

Genre: Thriller, Krimi, Tragikomödie

Lief an am: 13.02.14

Laufzeit: 134 Minuten

 

Ron Woodroof zeigt der Welt den Mittelfinger

 

Dallas Buyers Club

dallas-buyers-club-25Kaum zu glauben, aber er ist es wirklich – Matthew McConaughey hungerte sich für seine Rolle als AIDS-kranker Cowboy Ron Woodroof auf unglaubliche 60 Kilo runter. Und nicht nur er. Auch sämtliche Nebendarsteller sind gefährlich abgemagert und nur noch ein Schatten ihrer selbst. Dabei stellt sich unweigerlich die Frage, ob das wirklich sein musste. Einer von vielen Gründen, mal genauer hinzuschauen.

Ron Woodroof (Matthew McConaughey) ist Texaner mit Leib und Seele – Jeansjacke, Cowboyhut und Bullenreiten sind genau sein Ding. Seine zweite große Leidenschaft sind Frauen – der Verschleiß ist immens. Doch sein oberflächlicher und unverbindlicher Lebensstil soll unlängst ein Ende finden, als Woodroof nach einem Arbeitsunfall erfährt, dass er an AIDS erkrankt ist und ihm laut Krankenhaus nur noch 30 Tage zum Leben bleiben. AIDS – eine Krankheit, die Mitte der 80er Jahre nur wenig erforscht ist und Millionen Menschen verunsichert. Woodroof ist außer sich, beschimpft die Ärzte im Krankenhaus und bezichtigt sie der Fahrlässigkeit, denn er ist sich sicher, dass die sich irren müssen. Jeder weiß doch schließlich, dass so etwas nur „Schwuchteln“ bekommen können. Doch irgendwie scheint er sich allmählich einzugestehen, dass mit ihm etwas nicht stimmt und er recherchiert selbst, was es mit dem verhängnisvollen Virus auf sich hat. Entsetzt stellt er fest, dass der Erreger auch bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr übertragen werden kann und davon hatte er, weiß Gott, genug. Verzweifelt versucht er alles, um an das in den USA noch nicht zugelassene und in der Erprobungsphase befindliche Medikament AZT zu gelangen. In Texas gerät er dabei schnell an die Grenzen der Legalität und fährt deshalb nach Mexiko, wo er einen viel wirksameren Medikamentencocktail verabreicht bekommt. Er ist überzeugt, dass sich damit auch in den USA Geld verdienen ließe und ganz nebenbei auch etlichen Menschen geholfen werden könnte. Also macht sich der homophobe Woodroof mit dem Auto voller nicht verschreibungspflichtiger Medikamente und Vitaminpräparate auf den Weg zurück nach Texas und gründet mit Rayon, einer transexuellen und ebenfalls an AIDS erkrankten Krankenhausbekanntschaft (Jared Leto), einen legalen Medikamentenverein – den Dallas Buyers Club. Die Geschäfte boomen, werden jedoch von der FDA (Food and Drug Administration) – Lobyist der Pharmaindustrie, argwöhnisch beobachtet…

dallas-buyers-club-09Dallas Buyers Club ist die brillant erzählte Geschichte eines Sterbenskranken, deren Besonderheit vor allem darin liegt, nicht (wie man ja vermuten könnte) als abgeschmacktes Stereotype-Drama daherzukommen, sondern den Spieß einmal umzudrehen. Der wenig sympathische Woodroof packt sein Schicksal ganz einfach selbst am Schopf und zeigt allen Gegnern und Widrigkeiten den Mittelfinger – eine Botschaft, die ankommt und Respekt verdient. Besonders die Pharmaindustrie bekommt dabei ihr Fett weg. Wenn also das Thema AIDS und dessen Heilung mittlerweile an Brisanz verloren hat, weil die AIDS-Forschung seit 1985 enorme Sprünge gemacht hat, so sind doch die Machenschaften der Pharma- und Wirtschaftslobbyisten und das Thema Schwulenhass umso aktueller. Dallas Buyers Club ist ein ehrlicher Film, der nichts schönt, weder die Charaktere noch die Krankheit und deshalb nachhaltig beeindruckt. An dieser Stelle kommen wir wieder auf die eingangs gestellte Frage zurück: Ist es wirklich notwendig und vertretbar, dass sich Schauspieler wegen eines Films solcher körperlichen Strapazen unterziehen müssen? Eine schwierige Frage, bei der man vernünftiger Weise mit „nein“ antworten müsste. Ich bin jedoch sicher, dass ein Großteil der Authentizität des Films andernfalls verloren gegangen wäre. So oder so – Matthew McConaughey und Jared Leto wurden zurecht für den Oscar als bester Haupt- sowie Nebendarsteller nominiert, denn beide hauen einen förmlich aus dem Kinosessel. Beide sind über die Maßen eins mit ihren Rollen, die mit Sicherheit keine leichten sind. Deshalb muss ich auch meine Meinung zu „The Wolf of Wallstreet“ revidieren. Hier schrieb ich: „Wenn’s dafür [für Leonardo DiCaprios Rolle als Jordan Belfort] immer noch keinen Oscar gibt, weiß ich auch nicht.“ Es tut mir ja sehr leid für Leo, aber ich weiß jetzt, wer daran „schuld“ wäre, wenn er ihn nicht bekäme. Jona Hill kann sich auf jeden Fall schon mal gedanklich vom Oscar verabschieden.   fg

dallas-buyers-club-posterUSA 2013

Produktion: Voltage Pictures

Regie: Jean-Marc Vallée

Schauspieler: u.a. Matthew McConaughey, Jared Leto, Jennifer Garner

Lief an am: 6.2.1014

Genre: Drama

Laufzeit: 117 Min.