Genialer Nonsense made in Görliwood

Grand Budapest Hotel

Es gibt Filme, die bedürfen keines tieferen Sinnes und machen trotzdem jede Menge Spaß. Wes Anderson ist Meister auf diesem Gebiet und versteht es wie kein Zweiter, neue, unverschämt charmante Welten zu erschaffen. Eine dieser Welten ist die fiktive Republik Zubrowka mit ihren herrlich verschrobenen Bewohnern und selbstverständlich mit eigener Währung (Zubrowska Klübecks) und Tages-Presse (Trans-Alpine Yodel) – irgendwo im bergigen Europa gelegen. Ich habe vergangene Woche mal für ein paar Stunden zubrowkanische Luft geschnuppert und mich in zugige Höhen begeben.

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Quelle: creativereview.co.uk

Auf drei Handlungsebenen erzählt, erfährt der Zuschauer die Geschichte, die sich um das namensgebende Grand Budapest Hotel in der kleinen Bergstadt Nebelsberg rankt. Die alles umschließende Rahmenerzählung zeigt ein junges Mädchen, das sich in ein Buch über das Grand Budapest Hotel vertieft. Der namenslose Ich-Erzähler (Jude Law) berichtet zunächst von seinem Eintreffen im Hotel im Jahre 1985. Hier begegnet er dem bescheidenen, alten Besitzer Zéro Moustafa (Fahrid Murray Abraham), der ihm beim Dinner in dem schier endlos erscheinenden Speisesaal seine Lebensgeschichte offenbart – die eigentliche Handlung des Films.

Man schreibt das Jahr 1932, als der junge Flüchlting Zéro (Tony Revolori) nach Nebelsberg kommt und ein neues, vermeintlich unbeschwerteres Leben als „Lobby Boy“ im Grand Budapest Hotel beginnt. Der überkorrekte Concierge Gustav H. (Ralph Fiennes) nimmt Zéro unter seine Fittiche und lehrt ihm das Hotellerie-1×1. Schnell entwickelt sich aus der Lehrer-Schüler-Beziehung ein kameradschaftliches Miteinander. Zusammen erleben Gustav und Zéro eine abenteuerliche Reise, die Monsieur Gustav fälschlicherweise ins Gefängnis bringt und Zéro dazu nötigt, zu unlauteren Mitteln zu greifen, um seinen Mentor aus den Fängen der Justiz zu befreien. Der Plan gelingt und der Monsieur kommt frei. Nun ist es wichtig, keine Zeit zu verlieren und schleunigst dem Ursprung allen Übels auf die Spur zu kommen.

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Quelle: mostmetro.com

Natürlich ist dies nur die Kurzfassung einer um ein Vielfaches komplexeren Story, die letztlich auch erklärt, wie und warum Zéro zum Erbe des sagenumwobenen Grand Budapest Hotels und Teil eines riesigen Vermächtnisses wird. Zu viel möchte ich an dieser Stelle aber natürlich noch nicht verraten. Wes Andersons neues Meisterwerk ist das Ergebnis einer Spitzenproduktion mit etlichen bekannten Gesichtern, nicht nur aus Hollywood. Neben Schauspielgrößen wie Ralph Fiennes, Jude Law, Adrien Brody und – wer hätte es gedacht – Anderson-Lieblingen wie Bill Murray, Edward Norton und Tilda Swinton (in einer herrlich blöden Verkleidung), bekommen auch deutsche Darsteller wie Volker Michalowski (Zack! Comedy nach Maß, Inglourious Bastards), Florian Lukas (Weissensee, Nordwand), Karl Markovics (Nanga Parbat) und Matthias Matschke (Soloalbum, Pastewka) einen maßgeblichen, wenngleich kurzweiligen Auftritt. Trotz Blockbuster-Budget und überdimensionalem Casts, katapultiert sich Wes Anderson mit Grand Budapest Hotel (Originaltitel: The Grand Budapest Hotel) erneut in eine andere Film-Liga und beweist einmal mehr seine kongenialen Fähigkeiten als Regisseur. Der Film besticht, in gewohnter Anderson-Manier, durch seine außergewöhnliche Erzählweise und den typisch schrägen Humor, seine skurrilen, aber dennoch (überwiegend) liebenswerten Charaktere, ausnahmslos bezaubernden Kulissen und nicht zuletzt durch seine wunderbare Farbenpracht. Szenerie und Handlung sind zwar fiktiv, orientieren sich aber partiell an real existierenden Schauplätzen und historischen Gegebenheiten. So ist die Bezeichnung der faschistischen Militäreinheit „ZZ“ bewusst gewählt und an die SS im Dritten Reich angelehnt. Auch das Hotel selbst wurde nach architektonischen Vorbildern im tschechischen Karlsbad erdacht. Überhaupt scheint Anderson viele seiner Inspirationen aus der prachtvollen Bäderstadt bezogen zu haben, denn auch das Standbild der Gämse und die pittoreske Standseilbahn sind zweier berühmter Karlsbader Wahrzeichen nachempfunden. Für die Geschichte selbst bediente sich Anderson verschiedener Werke Stefan Zweigs – hierbei unter anderem der Novelle „Vierundzwanzig Stunden aus dem Leben einer Frau“ sowie seiner Autobiografie „Die Welt von Gestern – Erinnerungen eines Europäers“ – die ihn nachhaltig beeindruckten.

Gedreht wurde der Film aber keineswegs in Karlsbad, sondern fast ausschließlich im wunderschönen Görlitz, das im Krieg wenig bis gar nicht zerstört wurde und dessen unberührte, epochenübergreifende Architektur als Filmkulisse geradezu prädestiniert ist. Diese Tatsache ist mittlerweile auch bis nach Hollywood durchgesickert und nun wohl auch zu Wes Anderson, der die kleine Stadt vor über einem Jahr in helle Aufruhr versetzte. Das Ergebnis kann sich allemal sehen lassen: Grand Budapest Hotel ist an künstlerischer Qualität und Liebe zum Detail kaum zu übertreffen und nimmt in der sonst eher eintönigen Hollywood-Filmlandschaft einen ganz besonderen Platz ein.   fg

USA/DE/GB 2014

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Quelle: moviepilot.de

Produktion: American Empirical Pictures

Regie: Wes Anderson

Schauspieler: u.a. Ralph Fiennes, Tony Revolori, Jude Law, F. Murray Abraham, Adrien Brody, Mathieu Amalric, Willem Dafoe, Harvey Keitel

Lief an am: 6.3.2014

Laufzeit: 101 Min.

Genre: Komödie

Dicke Luft im Hinterland

Im August in Osage County

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Quelle: Tobis

Wer denkt, die eigene bucklige Familie sei anstrengend und nervig, sollte sich Im August in Osage County ansehen, denn hier werden definitv andere Maßstäbe gesetzt. Meryl Streep und Julia Roberts geben alles. Fast  bekommt man den Eindruck, als kehrten sie ihr Innerstes nach außen. Nicht revolutionär, aber dafür mit umso mehr Dampf, kommt diese bitterböse Tragikomödie daher und schreit, im wahrsten Sinne des Wortes, nach Aufmerksamkeit.

Es ist staubig im August in Oklahoma – die Luft steht, die Sonne knallt erbarmungslos vom Himmel und das unerträgliche Klima scheint sich auch auf die Gemüter der Familie Weston gelegt zu haben. Das Familienoberhaupt Beverly (Sam Shepard) verschwindet spurlos und seine Frau Violet (Meryl Streep) ist trotz einiger Differenzen zwischen ihr und ihrem Mann krank vor Sorge. Grund genug, den Rest der Familie zu informieren und nach Hause zu ordern. Mehr oder weniger erfreut machen sich die verstreut lebenden Töchter Barbara „Barb“ (Juia Roberts) und Karen (Juliette Lewis) mit ihren Familien auf den Weg in die heimatliche Ödnis zu Mutter Violet und Schwester Ivy (Julianne Nicholson) – bereits hier wird klar, dass in dieser verkorksten Familie irgendwie jeder mit jedem im Clinch liegt. Zu allem Überfluss gesellen sich zu dieser ohnehin schon „netten“ Runde auch noch Mattie  Fae (Margo Martindale), Violets ältere Schwester, ihr Mann Charles (Chris Cooper) und der, allen Anscheins nach, gemeinsame Sohn Little Charles (Benedict Cumberbatch). Schön und gut, nun heißt es also für alle: Augen zu und durch. Doch so leicht macht es Violet ihren Schäfchen nicht. It’s Showtime! Denn nun wird erstmal jedem auf den Zahn gefühlt oder besser – auf die Füße getreten. Mit ihrer Art, frei von der Leber weg alles auszusprechen, was ihr in den Sinn kommt, schafft es die launische (fast schon sadistische und gleichermaßen selbstgeißelnde) Frau nicht nur, so ziemlich jeden Wunden Punkt zu treffen, sondern auch noch bis zur Schmerzgrenze darin herumzubohren. Es kommt, wie’s kommen muss. Alle Kellerleichen finden bedauerlicherweise den Weg ans Tageslicht…

Die Bewertung dieser auf einem mit dem Pulitzer Preis ausgezeichneten Theaterstück basierenden, schwarzen Komödie fällt zugegebenermaßen recht ambivalent aus. Die schauspielerische Umsetzung des Drehbuches ist ohne Frage grandios. Einer Violet Weston möchte ich lieber nicht begegnen und auch der Rest der Sippe kann mir gestohlen bleiben. Aber genau dieses darstellerische Können aller Beteiligten macht es dem Kinogänger in seinem Sessel nicht unbedingt behaglich. Die dunkle Stimmung und staubige Atmosphäre schlägt schnell aufs eigene Gemüt und das Lachen bleibt einem bestenfalls im Halse stecken. Als wäre das nicht alles schon genug, wirken Julia Roberts und Meryl Streep noch dazu ungemein alt und verbraucht. Wer also eine lustige Familien-Klamotte erwartet, kann gleich wieder kehrtmachen – Wohlfühlen nicht erwünscht. Wer sich davon aber nicht beeindrucken lässt und Hollywoodgrößen wie Meryl Streep und Julia Roberts mal in völliger Ekstase erleben will, sollte sich dringend ins Kino begeben, denn so viel schauspielerische Inbrunst bekommt man selten geboten.   fg

 

USA 2013

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Quelle: Tobis

Produktion: George Clooney

Regie: John Wells

Schauspieler: u.a. Meryl Streep, Julia Roberts, Juliette Lewis, Julianne Nicholson, Benedict Cumberbatch, Ewan McGregor

Lief an am: 6.3.2014

Laufzeit: 121 Min.

Genre: Tragikomödie