Fleischlos unglücklich

Jurassic World

© Universal Pictures International Germany GmbH
© Universal Pictures International Germany GmbH

Ach herrlich, was für ein (herzhafter) Genuss! Das habe sowohl ich mir gedacht, als ich mir neulich endlich mal Jurassic World einverleibt habe (Entschuldigt die vielen Calauer, ich bin heute in Wortspiellaune) – als auch der Indominus Rex , der T-Rex unter den T-Rexen in der neuerlichen Fortführung der Spielbergs’schen Dino-Reihe. Super, die Saga geht weiter, aber mal ganz langsam und von vorne:

Die Grundstory der Vorgängerfilme dürfte ja in etwa bekannt sein. Wissenschaftlern gelingt es, mittels Gentechnik sämtliche Dinosauriergattungen wieder zum Leben zu erwecken. Um das unglaubliche auch für die Öffentlichkeit erlebbar zu machen, wird ein Freizeitpark auf der Pazifikinsel Isla Nubla eröffnet. Einige Sicherheitslücken und andere missliche Umstände sorgen jedoch dafür, dass sich Tier und Mensch nicht nur einmal face to face begegnen und es auch nicht nur beim freundlichen Hallo sagen bleibt. Der Kampf um Leben und Tod beginnt und endet so schnell auch nicht. In den Teilen II und III der Saga hat Gründer John Hammond (Richard Attenborough) zwar von der Idee eines Dinosaurier-Freizeitparkes Abstand genommen, trotzdem verschlägt es das Forscherteam um Dr. Alan Grant (Sam Neill), Dr. Ian Malcolm (Jeff Goldblum) und Dr. Ellie Sattler (Laura Derm) immer wieder aus verschiedenen Gründen auf die Insel, auf der die Urzeittiere mittlerweile in Wildnis leben.

In Jurassic World wird die Idee des Parks nun wieder aufgegriffen. Mit Hilfe modernster Technik ist es inzwischen doch gelungen, eine futuristisch anmutende Parklandschaft mit allerlei Attraktionen zu schaffen. Wie im Ocean Park, gibt es in Jurassic World eine Art Delphinarium/ Orcanarium, nur dass in diesem Fall keine Delphine oder Orcas dressiert werden, sondern ein fleischfressender, riesiger Urzeitwal, der sogenannte Mosasaurus. Und als wäre das noch nicht angsteinflößend genug, hat das Forscherteam (das übrigens fast vollkommen neu besetzt wurde, u. a. mit „New Girl“-Darsteller Jake Johnson) im Genlabor nun auch einen, zu Anfang schon erwähnten, optimierten und „modifizierten“ Tyrannosaurus rex entwickelt – den Indominus Rex. Er lebt in völliger Isolation weit weg vom Besucherzentrum und wird durch eine riesige Betonmauer in Schach gehalten. Natürlich kommt es dennoch zum Ausbruch des gozillaverwandten Tieres, was sowieso schlecht ist, aber umso blöder, weil die fleischgewordene Genmanipulation nicht nur super sieht, hört und riecht, sondern auch über die Fähigkeit verfügt sich wie ein Chamäleon an die Umgebung anzupassen und zu schleichen wie ein Luchs. Das einzige, was da noch hilft, sind ein Rudel abgerichteter Velociraptoren und Owen Grady (Chris Pratt), der Held der Stunde.

Ohne Umschweife und geradeheraus: Jurassic World ist das, wonach es klingt. Nicht mehr und nicht weniger. Als eingefleischter Fan (der musste jetzt nochmal sein) des Saurier-Action-Epos‘ mit Kultstatus muss man den Film eigentlich gesehen haben, weil es sich halt einfach so gehört. Nicht, weil er  so unbeschreiblich gut ist. Da mache selbst ich mal eine Ausnahme, obwohl ich sonst überhaupt kein Fan von Sequels oder Spin-offs bin, weil ich’s generell wahnsinnig uncharmant finde, wenn es ganz offensichtlich nur um Geldmacherei geht. Natürlich geht das so gut wie jedes Mal in die Hose und da nimmt sich auch Jurassic World im Grunde nicht aus. Außerdem gilt, was in den 90ern cool war, ist es heute in neu aufgelegter Form wahrscheinlich nicht oder nicht mehr ganz so. Trotzdem: Spaß gemacht hat der Film irgendwie doch, schon aus nostalgischen Gründen.  Auch wenn man mit der Produktplatzierungen generell sparsamer und subtiler hätte umgehen sollen, die Handlung sowieso von vorne bis hinten vorhersehbar ist; trotz Logiklücken und mehr oder weniger unterirdischer Dialoge, überflüssiger Schmachtszenen und grauenhafter Pathetik. Ja, jetzt fragt man sich vielleicht zurecht, was genau an dem Film denn dann eigentlich gut ist. Künstlerisch und dramaturgisch nicht allzu viel, aber die Effekte sind gut, die Baby-Langhälse und Mini-Triceratopse (-topsi? -tops‘? Ich bitte um die Richtigstellung des Plurals) sind unwiderstehlich, Chris Pratt natürlich auch, außerdem fetzt der Freizeitpark (in den ich auf jeden Fall auch mal gehen würde, wenn es ihn gäbe und die Ausbruchgefahr minimiert wäre) und – ich erwähnte es bereits – der Fanfaktor spielt eben auch eine nicht ganz unerhebliche Rolle. Natürlich gesetzt den Fall, man ist einer. Wenn nicht, kann einem Jurassic World eigentlich auch gestohlen bleiben, zumal für den Nachfolgeteil der Jurassic-Park-Reihe noch nicht einmal mehr Steven Spielberg verantwortlich ist, sondern Regisseur und Drehbuchautor Collin Trevorrow. Der hat 14 Jahre nach Beendigung der Trilogie offenbar das große Geschäft gewittert. Vielleicht wäre mein Urteil noch ein klein wenig anders ausgefallen, wenn Spielberg selbst seine Finger mit im Spiel gehabt hätte? Hm, wer weiß. Der hat sich jedenfalls schon für den geplanten Nachfolgeteil vom Nachfolgeteil (Himmel!) als Regisseur und Produzent angekündigt. Und da ist er schon wieder: der Moment völliger Übersättigung. Bitte belasst es doch jetzt dabei! Unbegreiflich ist mir zudem auch, warum Omar Sy sich angesichts seines momentanen und hochverdienten Erfolges schlechterdings zu einer derart belanglosen Randrolle als Raptoren-„Dompteur“ hat abdegradieren lassen. Klar, Geld und so. Aber er hat schlicht und ergreifend besseres verdient und Hollywoods Image wird nicht besser, wenn es das nicht erkennt. Ob Sys eigener Ruf dadurch Schaden nimmt, muss natürlich jeder für sich selbst entscheiden.

Mein Fazit ist also wie folgt: Fan-Sein oder Nicht-Fan-Sein, das ist hier die Frage… die über Anschauen oder Bleibenlassen entscheidet. Als Popcorn-Kino zum Abschalten ist der Film ganz OK und das darf ja auch mal sein.

© Universal Pictures International Germany GmbH
© Universal Pictures International Germany GmbH

US 2015

Produktion: u.a. Universal Pictures

Regie: Colin Trevorrow

Schauspieler: u.a. Chris Pratt, Bryce Dallas Howard, Omar Sy

Lief an am: 11.06.2015

Genre: Action, Abenteuer, Thriller, Science Fiction

Laufzeit: 124 Min.

Is this the real life? Is this just fantasy? …Open your eyes…

Das erstaunliche Leben des Walter Mitty

Das_erstaunliche_Leben_des_Walter_Mitty__1_Mein erster Kinobesuch im neuen Jahr erfolgte anlässlich des vielversprechenden neuen Films von und mit Ben Stiller: Das erstaunliche Leben des Walter Mitty (Originaltitel: The Secret Life of Walter Mitty). Die Geschichte ist im Grundsatz einfach und wenig innovativ, aber die Botschaft gefällt mir sehr und kann nicht oft genug in Erinnerung gerufen werden.

Walter Mitty (Ben Stiller) ist nicht gerade das, was man in dieser Welt als „coole Sau“ bezeichnen würde. Eher unauffällig und bescheiden erledigt er Tag für Tag seinen Job beim renommierten „Life-Magazine“. Die Arbeit als leitender Fotoarchivar bewältigt er zwar mit Hingabe, doch die Tristesse des Alltags und das Gefühl, nichts im Leben erreicht zu haben – ein Niemand in einer anonymen Großstadt zu sein – stimmt ihn unzufrieden. Sein Unmut äußert sich regelmäßig in Tagträumereien, die ihn immer wieder die Welt um sich herum vergessen lassen: Hier ist Walter ein Held, springt todesmutig in Hochhäuser, um sie kurzerhand vor einer Bombe zu evakuieren; liefert sich mit seinem unausstehlichen und schmierigen Chef Ted Hendricks (Adam Scott) atemberaubende „Fights“ quer duch die Stadt oder tritt seiner Kollegin und großen Liebe Cheryl (Kristen Wiig) als tougher Polarforscher gegenüber. Schnell wird klar: Walter will mehr vom Leben, aus der Routine ausbrechen und das Leben spüren, traut sich jedoch nicht. Seine Resignation wird perfekt, als er erfährt, dass bald die letzte Print-Ausgabe von Life erscheinen soll und es künftig nur noch einen Online-Auftritt des Magazins geben wird. Im Zuge dessen sollen etliche Stellen gestrichen werde und Walter ist nicht sehr zuversichtlich, dass ausgerechnet er unverzichtbar ist. Die letzte Ausgabe soll ein Foto des bekannten Weltenbummlers und Life-Fotografen Sean O’Connell (Sean Penn) zieren, das dieser in einer letzten Fotoreihe (wie gewöhnlich) an Walter ins Archiv schickt. Doch besagtes Foto fehlt in der Reihe und ist bis auf Weiteres nicht auffindbar. Kurzerhand beschließt Walter, sich auf die Suche nach dem Foto zu begeben. Sean, der sich die meiste Zeit auf der Jagd nach außergewöhnlichen Motiven befindet, ist nicht zu erreichen und so hilft alles nichts: Walter muss seine Spuren zurückverfolgen und nach Grönland reisen. Endlich beginnt er zu leben…

Das erstaunliche Leben des Walter Mitty ist bereits die zweite Kino-Adaption der Kurzgeschichte Walter Mittys Geheimleben des Schriftstellers und Satirikers James Thurber. Bereits 1994 wurde begonnen an einem Remake von Das Doppelleben von Herrn Mitty (Norman Z. McLeod, 1947) zu arbeiten. Zunächst war Jim Carrey für die Hauptrolle vorgesehen. Das Vorhaben zerschlug sich allerdings aufgrund eines Rechtsstreits wieder und erst 2011 wurde ein weiterer Versuch in Angriff genommen das Projekt zu realisieren. Ben Stillers Film erzählt die Geschichte vom tagträumenden Mann, der sich in der Satire von Thurber mit seiner Frau auf dem Weg zum Einkaufen im Auto befindet, sehr frei, mit dem einzigen verbindenden Element der Tagträume. Auch als Remake der Version von 1947 geht der Film seine eigenen Wege und weist nur grobe Parallelen zum Vorreiter auf. Die Satire kommt in Das erstaunliche Leben des Walter Mitty ein wenig kurz, vielmehr geht es um den Aufbruch ins Unbekannte und darum, das Leben am Kragen zu packen und etwas daraus zu machen. Schon das Filmplakat verrät: „Sei kein Träumer, erlebe das Leben“ – es wird kein großes Geheimnis daraus gemacht, was den Zuschauer im Kino erwartet. Ben Stiller inszeniert jedoch nicht nur das Leben eines durchschnittlichen Mannes, der endlich etwas wagt, sondern erstellt ein ganzes Psychogramm unserer (westlichen) Gesellschaft, in der „Selbstfindung“ und „Selbstverwirklichung“ zwei ganz große Worte sind, die den Zeitgeist beschreiben. Stiller trifft damit den Nagel auf den Kopf. Fast jeder kann sich mehr oder weniger mit Walter Mitty identifizieren und versteht den inneren Konflikt zwischen der Sicherheit des Altbekannten und dem Reiz des Abenteuers. Gesellschaftskritisch ist der Film jedoch nicht. Im Gegenteil: Die Botschaft ist eindeutig und lässt keinen Zweifel an dessen Relevanz. Vielleicht geschieht das ganz bewusst. Jeder einzelne sollte an das, was er bisher erreicht hat, anknüpfen. Er sollte versuchen, das Beste daraus zu machen und vor allem darf er niemals stehen bleiben. Dieser Grundsatz gilt wohl für jeden Menschen auf dieser Erde – ob nun in Indien, Amerika oder China. Die Träume unterscheiden sich aber sicher enorm.

Besonders gut gelungen ist der Soundtrack von Theodore Shapiro, der gleichermaßen melancholisch wie lebensbejahend ist und demnächst in mein CD-Regal wandern wird. Eine ebenso gute Leistung haben der Set-Director und künstlerische Leiter David Swayze sowie der Leiter für Animation und visuelle Effekte Guillaume Rocheron erbracht. Besonders gut gefallen haben mir bei Letzterem die Statements, die sich, besonders zu Beginn des Films, auf U-Bahn-Schildern, Straßenzügen oder als Graffity an Häuserwänden plakativ und dennoch subtil (was sich eigentlich auszuschließen scheint) heimlich in den Film mogeln. Die Dialoge waren mir insgesamt zwar oft zu platt, sind jedoch auch nicht das tragende Element des Films. Das erstaunliche Leben des Walter Mitty lebt von den unausgesprochenen Emotionen, großen Bildern und der Liebe zu visuellen Details.   fg

das-erstaunliche-leben-des-walter-mitty-posterUSA 2013

Produktion: 20th Century Fox

Regie: Ben Stiller

Schauspieler: u.a. Ben Stiller, Kristen Wiig, Shirley MacLaine, Adam Scott, Sean Penn, Patton Oswald

Lief an am: 01.01.2014

Genre: Abenteuer, Tragikomödie

Laufzeit: 115 Min.