The Minister of New Heavy Super Funk: „Der Groove ist der Herzschlag.“

Get On Up – Die James Brown Story

AP_get_on_up_sk_140801_16x9_992
Quelle: abcnews.go.com

Als großer Ray Charles-Fan und unbedingte Soul-Liebhaberin habe ich es mir natürlich nicht nehmen lassen und habe mir den neuen Film von Tate Taylor (Planet der Affen, Winter’s Bone, The HelpGet On Up im Kino angeschaut. Der Film zeigt das Leben und Wirken des großen James Brown, den wir alle kennen (wenn vllt. auch nicht immer wissentlich). Ihm hat die Welt Hits wie „I Got You (I Feel Good)“, „It’s a Man’s Man’s Man’s World“ oder „Sex Machine“zu verdanken. Und nicht nur das.

James Joseph Brown (Chadwick Boseman), geboren 1922, wächst unter ärmlichen Verhältnissen bei seiner Tante Honey (Octavia Spencer) in Augusta, Georgia auf. Auf Mutter Susie (Viola Davis) und Vater Joe (Lennie James) ist schon früh kein Verlass: Der Vater ist ein Trinker und skrupelloser Schläger, weswegen die Mutter die Familie kurzerhand verlässt. Aber auch bei seiner Tante wächst James nur mehr oder weniger behütet auf. Es kommt schließlich, wie es kommen muss: Als Teenager wandert er ins Gefängnis, wo ihm ohne Kaution bis zu 15 Jahre Haft drohen würden, begegnete er nicht während einer Gospel-Stunde dem Bandleader der „Gospel Starlighters“ und künftigen besten Freund – Bobby Byrd (Nelsan Ellis). Dieser hat Mitleid mit dem jungen Brown, kauft ihn wohl nicht zuletzt wegen seines begnadeten Gesangstalentes frei und lässt ihn fortan bei sich und seiner Familie wohnen. Brown schließt sich den „Gospel Starlighters“ (später „Famous Flames“) an und mausert sich schnell zum Frontmann der Gruppe. Bei einem Auftritt 1955 wird der Produzent Ralph Bass (Josh Hopkins) auf die Band aufmerksam. Sein besonderes Interesse gilt jedoch dem Ausnahmetalent James Brown. Was folgt, ist der Beginn einer Karriere als gefeierter Weltstar, Geschäftsmann, Begründer des Funk und Wegbereiter des Hip-Hop – immer angetrieben durch den Groove.

Der Film beginnt mit dem Abstieg des einst so gefeierten Künstlers und zeigt den vermeintlichen „Amoklauf“ 1988 in Aiken, South Carolina. Der weitere Verlauf der 139-minütigen Handlung ist durch etliche Rückblicke gespickt, die jedoch keiner genauen Chronologie folgen, sondern je nach Auslöser zu entsprechenden Situationen in der Vergangenheit führen. Diese Erzählweise bedarf der völligen Aufmerksamkeit des Zuschauers, macht aber dennoch Spaß und sorgt dafür, dass von der Überlänge nichts zu spüren ist. Von Kindheitstagen an immer auf sich selbst angewiesen, musste James Brown Kraft und Willen aus der eigenen Persönlichkeit schöpfen und wurde, vom Leben enttäuscht und von jahrzehntelangem Misstrauen zerfressen, zum absoluten Egomanen und Tyrann. Chadwick Boseman scheint die zuweilen exzentrische, aber auch liebenswerte Person James Brown genauestens studiert zu haben und ist der Verkörperung einer Ikone solchen Ranges und dieser Ambivalenz offensichtlich mehr als gewachsen. Durch ihn – und das ist ja für ein solches Biopic entscheidend – wird der Film lebendig und beschönigt dabei trotzdem nichts. Drogendelikte und Gefängnisaufenthalte werden aber nur teilweise thematisiert, so z.B. zu Beginn und Ende des Film. Dennoch sorgt der durchaus berührende Film für erhellende Momente beim Publikum, die wohl noch länger im Gedächtnis bleiben werden und einen kleinen Einblick in die Welt und das Wesen des „Minister of New Heavy Super Funk“ – einer von vielen Namen, die sich der Künstler selbst gab – ermöglichen. Für alle Blackmusic-People ist Get On Up ein absolutes Muss, für alle anderen eine lohnenswerte Empfehlung und auf keinen Fall rausgeschmissenes Geld.   fg

Moviepilot.de
Quelle: Moviepilot.de

USA 2014

Produktion: u.a. Jagged Films

Regie: Tate Taylor

Schauspieler: u.a. Chadwick Boseman, Nelsan Ellis, Viola Davis, Octavia Spencer

Lief an am: 09.10.2014

Genre: Biopic, Musikfilm

Laufzeit: 139 Min.

Ein dreistündiger Exzess

The Wolf of Wall Street

wolf-of-wall-street-30Nach meinem samstägigen Besuch im Kino bin ich noch immer ziemlich geplättet von dem, was sich mir dort bot. Scorseses neuester Coup ist länger als lang, zumal ohne Pause, doch dafür habe ich den dreistündigen Leinwandexzess erstaunlich gut verkraftet. Aber zunächst wie immer erstmal ein kurzer Einblick ins Geschehen.

Der Normalo Jordan Belford (Leonardo DiCaprio) ist, man muss es ja nicht schöner reden als es ist, ungemein geldgeil und materialistisch und versucht im New York der 80er Jahre aus eben diesem Grund sein Glück als Broker an der Börse. Schon der erste Tag als Hilfskraft imponiert ihm so dermaßen, dass er den Hals in Zukunft nicht mehr voll kriegen wird. Nach dem Börsencrash von 1987 muss er sich neu sortieren, doch als Schuster bleibt er bei seinen Leisten und verkauft nun in einem schäbigen kleinen Maklerbüro auf Long Island Schrottpapiere an die gutgläubige Arbeiterschicht. Schnell mausert er sich dort zum besten und skrupellosesten Broker und beschließt, mit dem sehr einfach gestrickten Donnie Azoff (Jonah Hill), den er erst kurz zuvor kennenlernt, die eigene Brokerfirma zu gründen: „Stratton Oakmont“. Die Geschäfte laufen blendend, denn Belford weiht die Kollegen früh in seine fragwürdigen, wenngleich wirkungsvollen Verkaufsstrategien ein, sodass sich die Firma im Nu zu einem Unternehmen von beträchtlicher Größe entwickelt und wöchentlich Millionen „erwirtschaftet“. Belford, dessen Erfolg in aller Munde ist und der in der Presse gemein hin als „The Wolf of Wallstreet“ bezeichnet wird, lebt fortan in Saus und Braus – Angefixt vom vielen Geld, feiert er eine Party nach der anderen, konsumiert Drogen wie Smarties und vergisst dabei mehr als einmal seine guten Manieren. Seine erste Ehefrau schießt er kurzerhand ab, es gibt schließlich noch Besseres auf dem Markt, wie z.B. die überaus schöne Naomi (Margot Robbie) und hey, Treue wird sowieso überbewertet. Wie soll man den schweren Alltag als Börsenmakler oder vielmehr Großkrimineller dennn sonst auch überstehen?! Geldwäsche und Wertpapierfälschung müssen schließlich gut durchdacht sein und bei so viel strategischem Kopfzermartern sei einem das bisschen Unzucht ja wohl gegönnt. Doch der sechsstellige Umsatz pro Woche bleibt natürlich nicht unbemerkt und ruft schnell das FBI auf den Plan. „Geld regiert die Welt“, denkt sich Belford und versucht die Agenten zu bestechen, muss aber mit Erstaunen feststellen, dass längst nicht jeder auf dieser Welt käuflich ist. Also muss eine neue Lösung her, sie beginnt mit „SCH“ und endet mit „WEIZ“…

Eines muss man Scorsese auf jeden Fall lassen: Er hat mit The Wolf of Wall Street einen durchaus kontroversen, auf wahren Begebenheiten basierenden Film geschaffen, der aber leider nur wenig kontrovers diskutiert wird. Im Gegenteil, der Hype ist riesig, kaum hört man mal wirklich kritische Stimmen zum Thema. Vielleicht auch, weil sich angesichts der mehrfachen Oscarnominierung keiner so recht traut oder weil das Publikum vorwiegend männlich ist…oder beides. Ich bin, weiß Gott, nicht prüde, aber ich habe so meine Schwierigkeiten mit dem Film. Sprachlich scheint er sich weitestgehend an der Teeniekomödie Superbad (2007) zu orientieren und das ist kein Kompliment. Sicherlich ist es stellenweise sehr witzig, den absurden Gesprächen und Eskapaden beizuwohnen, die der Realität an der Börse wahrscheinlich auch sehr nahe kommen. 180 Minuten Sex, Drugs und gefühlte 500 „Fucks“ sind mir jedoch einen Ticken zu viel des Guten. Spätestens ab der 135. Minute habe ich mir das Ende allmählich herbeigesehnt, weil es im Grunde nicht mehr viel zu erzählen gab und sich die Exzesse mehr und mehr in die Länge zogen. Auch die durchweg frauenfeindlichen Darstellungen gingen mir irgendwann ziemlich auf die Nerven. Übertreibung als Stilmittel ist ja nichts neues, hat für meinen Geschmack aber auch seine Grenzen. Natürlich ist The Wolf of Wallstreet keine Homage an das überbordende Leben und die Dekadenz, sondern ein zynischer Versuch, die schräge Börsenwelt so darzustellen wie sie eben ist: schnelllebig, oberflächlich und obszön. Ob der Versuch jedoch gelungen ist, fällt mir schwer zu beurteilen. Erstens, weil ich finde, dass das verherrlichende Moment trotz allem Zynismus‘ überwiegt und zweitens, weil ich den Eindruck habe, dass der Film von der Mehrheit der Zuschauer nicht zwangsläufig als Gesellschaftskritik verstanden wird, sondern vielmehr als Fun-Movie. Das blöde Gegröle und von Stunde zu Stunde zunehmend sinkende Niveau im Kinosaal lassen jedenfalls darauf schließen. Und diese Art von Popularität finde ich zweifelhaft. Den Gedanken könnte man noch weiterspinnen und sich fragen, ob der Film seine Wirkung in der breiten Masse nicht eventuell sogar verfehlt hat, was die Oscarwürdigkeit in der Kategorie „Bester Film“ wohl mehr als in Frage stellen würde. Oder ist eben diese Irreführung die besondere Raffinesse des Films? Auf keinen Fall in Frage steht zumindest die Oscarwürdigkeit Leonardo DiCaprios, ohne den hier gar nichts laufen würde. Allein er schafft es, aus der mageren Story ein exzentrisches Epos zu schaffen, das trotz der immer gleichen, sich wiederholenden Idee auf die Gesamtlänge bezogen kaum langweilt, und aus den sonst eher mittelmäßig ausgereiften Charakteren hervorzustechen. Seine Rolle bietet die gesamte Palette an Emotionen, die er alle mit äußerster Bravour zu zeigen vermag. Dafür mein Respekt! Jonah Hills Oscarnominierung kann ich hingegen nicht so ganz nachvollziehen, denn er spielt seine Rolle wie gewohnt wenig innovativ und hat sich seit Superbad sowohl sprachlich als auch dramaturgisch kaum weiterentwickelt. Es wundert mich überhaupt nicht, dass er für die Rolle des trotteligen Donnie Azoff ausgewählt wurde.

Man ahnt es schon: Eine klare Sehempfehlung kann ich nicht aussprechen, weil mich der Film insgesamt einfach nicht überzeugen konnte. Als Leo-Fan sollte man The Wolf of Wallstreet aber vieleicht mal gesehen haben.

the-wolf-of-wall-street-poster-2USA 2013

Produktion: Appian Way

Regie: Martin Scorsese

Schauspieler: u.a. Leonardo DiCaprio, Jonah Hill, Margot Robbie, Matthew McConaughey

Lief an am: 16.01.2014

Genre: Biopic

Laufzeit: 180 Min.